Symphonie der Herzen
Porzellan ist vom Allerfeinsten: Mutter lässt hier nur auf Sèvres servieren.« Louisa gab sich alle Mühe, ihrer Schwägerin zu imponieren. »Und dann haben wir hier noch das berühmte Irish-Waterford-Kristall. Überhaupt ist die ganze Atmosphäre in diesem Raum so einladend! Ich liebe es, nach dem Frühstück noch ein Weilchen hierzubleiben und mir eines der Bücher aus dem Schrank zu nehmen -«
»Ich ziehe die französische und griechische Klassik vor.« Mit mürrischem Blick unterbrach Elizabeth Louisas Redeschwall, schaute sich einmal kurz um und zog dann angewidert die lange Nase kraus.
Nun ja, Bessy, vielleicht hast du recht!, dachte Louisa nach einer ersten Schrecksekunde. Im Augenblick ist die Atmosphäre hier in der Tat nicht sonderlich einladend. Genauer gesagt exakt seit dem Augenblick, als du den Salon betreten hast! Sie atmete einmal tief durch und erwiderte schließlich mit zuckersüßem Lächeln: »Liebste Elizabeth, bitte entschuldige mich. Ich möchte mich nur sehr ungern verspäten. Meine nächste Sitzung steht an.«
»Du meinst deine Sitzung bei diesem - wie heißt er doch gleich? Landseer?« Spöttisch zog Bessy die dünnen Brauen hoch. »Wundert mich, dass er überhaupt noch Zeit findet, sich von seiner Muse zu lösen und an deinem Porträt weiterzuarbeiten.«
Muse?, stutzte Louisa ein wenig irritiert. Nun, damit kann sie ja wohl nur Mutter meinen. Kein Wunder, dass Bessy neidisch auf sie ist. »Ja, genau, Lanny wird mein Porträt malen«, erwiderte sie betont gelassen, ohne auf die kleine Stichelei einzugehen. »Ich posiere im Übrigen in meinem Ballettkostüm. Wie wäre es, wenn er, solange ihr noch hier seid, auch euren Sohn porträtiert?«
Bessy erstarrte geradezu. »Wohl eher nicht. Hastings wird bereits von Lawrence auf Leinwand gebannt. Und nicht von irgendeinem Feld-Wald-und-Wiesen-Amateur.«
Abrupt sprang Lu von ihrem Platz auf. Sie sagte zwar nichts, doch das zornige Funkeln in ihren Augen sprach Bände. Wie kannst du es nur wagen, Lannys Arbeit derart zu denunzieren?, fluchte sie im Stillen. Er ist ein Genie!
Raschen Schrittes verließ Louisa den Salon und marschierte geradewegs in das kleine Ankleidezimmer hinter der Theaterbühne, wo sie, noch immer rasend vor Wut, aus ihrem luftigen Sommerkostüm schlüpfte und sich den glockigen Ballettrock umband. Die abgeschnittenen Bänder ihrer Schläppchen hatte sie in der Zwischenzeit natürlich längst wieder angenäht - ihre Brüder hatten nicht ein einziges Paar heil gelassen! - und wählte nun aus den reparierten Schuhen ein Paar in Zartrose. Schließlich bändigte sie mit einigen hastigen Bürstenstrichen noch ihr lockiges schwarzes Haar und fasste es im Nacken zu einem festen Chignon zusammen. Abschließend folgte ein letzter Blick in den uralten Spiegel und ein stummer Seufzer: Hoffentlich findet er mich schön!
Im Gegensatz zu Louisas romantischer Fantasie wurde das Porträt jedoch nicht im Garten angefertigt, sondern gleich hier, mitten im Theatersaal. Edwin hatte seine Staffelei ganz dicht vor eines der hohen Fenster gerückt, wo er das beste Licht hatte, und bat Lu nun, verschiedene Posen auszuprobieren. Gehorsam folgte sie seinen Anweisungen, woraufhin Lanny ein paar rasche Skizzen anfertigte, bis er sich entschieden hatte, welche der verschiedenen Posen die größte Dramatik barg.
Stocksteif und ohne ein einziges Mal zu schwanken, hielt Lu die gewünschte Haltung ein, und nach und nach verebbte ihr Zorn auf ihre Schwägerin. Wenn sie mit Lanny zusammen war, gab es einfach keinen Platz für Verstimmungen gleich welcher Art - stattdessen war sie einfach nur froh, in seiner Nähe zu sein. Er gibt mir das Gefühl, etwas ganz Besonderes zu sein, dachte sie verzückt. Und wenn ich sein neckisches Zwinkern richtig deute, dann hat auch er sich mittlerweile in mich verliebt! Stumm versank sie in ihren Tagträumereien, die sie diesmal weit aus dem gepflegten Garten von Woburn Abbey hinausführten.
Frei und wild galoppierten Lu und Lanny durch die zerklüfteten Täler von Schottland. Dann, vollkommen allein und fernab des nächsten Dorfes, zügelten sie ihre Pferde und schauten einander verliebt an, ehe Lanny Lu galant aus dem Sattel half und sie Hand in Hand über einen plätschernden Bach sprangen. Romantischerweise pflückte er ihr sogar einen Strauß roter Heide, und Lus Herz klopfte wie verrückt, als er sie mit einem Mal in seine starken Arme zog und in einem leidenschaftlichen Kuss seine Lippen auf die ihren
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