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System Neustart

System Neustart

Titel: System Neustart Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: William Gibson
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mir bewusst, dass ich nicht allein bin. Das japanische Ehepaar ist unten im zweiten Stock und arbeitet an den Jeans, und sie haben nichts davon gesagt, dass dort noch jemand ist. Ich kann die Maschinen hören, die sie benutzen. Noch einen Stock tiefer ist eine Firma, die Pappkartons herstellt. Auch da wummern Maschinen, ein regelmäßiges Stampfen wie aus großer Ferne. Aber ich kann eine Frau singen hören. Nicht laut. Aber ganz in der Nähe. Von irgendwo weiter hinten in dem Dachgeschoss. Davon haben die Jeansleute nichts gesagt, aber sie sprechen kaum Englisch. Sind völlig auf ihre Arbeit konzentriert. Sie stellen zwei oder drei Paar Jeans am Tag her, nur sie beide. Autodidakten. Also lege ich die Rolle, die ich mir gerade angeschaut habe, auf das Regal zurück. Alte Metallregale, ungefähr einen Meter tief. Und folge dem Gesang.« Sie trank einen Schluck von ihrem Kaffee. »Und ganz hinten in dem Loft ist es hell, das Licht ist wirklich gut, über einem Tisch. Eigentlich besteht der Tisch aus einer Wabentür, die auf zwei großen Pappkartons liegt. Die Frau arbeitet an einem Schnittmuster. Große Bögen Transparentpapier, Bleistifte. Und sie singt dabei. Schwarze Jeans, ein schwarzes T-Shirt und eine Jacke, wie Sie eine tragen. Sie schaut hoch, sieht mich, hört auf zu singen. Dunkle Haare, aber keine Japanerin. Verzeihung, sage ich, ich wusste nicht, dass hier noch jemand ist. Macht nichts, sagt sie mit amerikanischem Akzent. Fragt mich, wer ich bin. Ich sage es ihr und füge hinzu, dass ich hier bin, um Segeltuch zu begutachten. Wofür? Für Schuhe, erkläre ich ihr. Sind Sie Designerin? Ja, erwidere ich und zeige ihr die Schuhe, die ich anhabe. Meine Schuhe, aus der ersten Saison, Rindsleder aus der Horween-Manufaktur in Chicago, dicke weiße Sohle, vulkanisiert, wie Bootsschuhe, oder eigentlich eher wie die Skaterschuhe, von denen die ersten Vans herrühren. Da lächelt sie mich an, kommt hinter dem Tisch hervor, damit ich sehen kann, dass sie die gleichen Schuhe trägt, meine Schuhe, nur in Schwarz. Und sie sagt mir ihren Namen.«
    Hollis saß über den niedrigen Tisch gebeugt in ihrem Sessel und hielt ihren Kaffee mit beiden Händen.
    »Den ich Ihnen, wie ich jetzt weiß, nicht verraten darf«, sagte Meredith. »Und wenn Sie dorthin gehen, werden Sie das Ehepaar nicht mehr antreffen, und die Frau auch nicht.«
    »Sie mochte Ihre Schuhe.«
    »Sie hat sie verstanden! Ich bin mir nicht sicher, ob das sonst noch irgendjemand so begriffen hat. Sie hat gewusst, wovon ich mich absetzen wollte. Die Saisons, dieser Schwachsinn, all das Zeug, das sich auslatscht und auseinanderfällt, das ist einfach nicht echt. Als ich noch jung war, habe ich Paris zu Fuß durchquert, von einem Fototermin zum nächsten, ohne Geld für eine Metrokarte, und dabei hab ich mir diese Schuhe ausgedacht. Und wenn man sich so etwas ausdenkt, entsteht dabei eine ganze Welt. Du stellst dir die Welt vor, aus der diese Schuhe kommen, und fragst dich, ob das hier auch möglich wäre, in dieser Welt, mit dem ganzen Schwachsinn. Und manchmal ist es möglich. Für eine Saison oder zwei.«
    Hollis stellte die Tasse auf den Tisch. »Bitte glauben Sie mir«, sagte sie, »Sie müssen mir wirklich nicht mehr erzählen. Ich verstehe das.«
    Meredith schüttelte den Kopf. »Wir haben dann zusammen zu Abend gegessen und Sake getrunken, in diesem kleinen Lokal die Straße runter. Alle Sakeschalen waren unterschiedlich, gebraucht, alt, als hätte sie jemand irgendwo aus zweiter Hand gekauft. Das war, nachdem sie mir geholfen hatte, das Segeltuch auszuwählen. Die Hounds-Designerin. So jemand wie Ihren Mr. Bigend braucht sie einfach nicht.«
    »Er ist nicht mein Mr. Bigend.«
    »Auf der ganzen Welt ist sie diejenige, die das am wenigsten nötig hat.« »Okay.«
    »Und deshalb kann ich ihren Namen nicht gegen meine Schuhe eintauschen. So gern ich meine Schuhe auch wiederhätte.«
    »Wenn ich ihm sage, dass Sie mir nichts sagen wollen, wird er versuchen, diese Schuhe auf eigene Faust zu finden. Und wenn er sie hat, wird er jemand anderen schicken, um zu verhandeln. Oder es selbst probieren.«
    »Daran habe ich auch gedacht. Ich bin wirklich selbst schuld. Weil ich darüber nachgedacht habe, eine Freundin zu verraten.« Sie sah Hollis an. »Ich habe sie seither nicht mehr gesehen. Und auch nichts von ihr gehört. Nichts, außer den E-Mails über die Verkaufsstellen. Ich habe ihr ein Paar Schuhe geschickt, für die sie das Segeltuch mit ausgewählt hatte. An das

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