System Neustart

verrücktes Zeug dazuerfinden, wenn Sie sie später jemand anderem erzählen?«
    »Warum sollte ich das?«
    »Weil das viele Leute tun, mit denen wir zusammenarbeiten.« »Warum?«
    »Weil sie krankhafte Lügner sind, Narzissten, Serienbetrüger, Alkoholiker, Drogenabhängige — chronische Verlierer eben. Aber Sie werden mich doch nicht im Stich lassen, oder?«
    »Nein«, sagte Milgrim. Die Bedienung brachte ihre Schüsseln. »Curriculum vitae«, sagte sie und blies in ihren Phô. Die dünnen Rindfleischscheiben waren hellrosa. »45 Jahre alt.«
    »Wer?«
    »Hören Sie mir einfach zu. 2004 quittiert er den Dienst, nach 15 Jahren als Offizier bei der US-Army. Im Rang eines Majors. Die letzten zehn Jahre war er bei der First Special Forces Group in Okinawa, Fort Lewis, in der Nähe von Tacoma. Den Großteil seiner Karriere war er in Asien stationiert. Hat auf den Philippinen eine Menge Erfahrungen gesammelt. Nach dem 11. September war er im Irak und in Afghanistan. Allerdings noch bevor die Armee wusste, wie man Aufstandsbekämpfung betreibt. Dann quittiert er den Dienst, weil er es auf eigene Faust versuchen möchte. Er glaubt, dass er eine gute Chance hat, als Berater reich zu werden.«
    Milgrim hörte aufmerksam zu, wobei er systematisch Brühe von dem weißen Porzellanlöffel schlürfte. So hatte er etwas zu tun, was ihm sehr willkommen war.
    »2005 und 2006 versucht er, als ziviler Dienstleister von der CIA Aufträge zu erhalten - Verhöre und Ähnliches.«
    »Ähnliches?«
    Sie nickte ernst. »Immerhin sehen sie dort bald ein, dass er über ganz andere Fähigkeiten und Erfahrungen verfügt. Zwei Jahre lang treibt er sich in der Golfregion herum und bietet Ölfirmen und anderen großen Konzernen in Saudi Arabien, den Emiraten und Kuweit seine Dienste als Sicherheitsberater an. Versucht, bei den reichen arabischen Regierungen einen Fuß in die Tür zu bekommen. Aber zu der Zeit haben sich die großen Fische dieser Branche dort längst breitgemacht. Nichts zu holen also.«
    »Meinen Sie Laubfrosch?«
    »Wer ist Laubfrosch?«
    »Der Mann, der uns in Paris gefolgt ist.«
    »Sah der für Sie wie fünfundvierzig aus? Vielleicht sind Sie doch kein so guter Informant.«
    »Tut mir leid.«
    »2006 bis heute. Jetzt wird es wirklich spannend. Er wendet sich wieder dem zu, was er vor dem 11. September am besten konnte, greift auf alte Kontakte auf den Philippinen und in Indonesien zurück. Zieht mit seinem Geschäft nach Südostasien um, was sich für ihn als Goldmine entpuppt. Die großen Firmen konzentrieren sich zu der Zeit mehr auf den Nahen Osten, und kleinere Unternehmer können in Südostasien eher zu Geld kommen. Anfangs arbeitet er als Sicherheitsberater in Indonesien, Malaysia, Singapur und auf den Philippinen. Hotelketten, Banken ... Aus den politischen Beziehungen seiner Firmenkunden schlägt et Kapital und arbeitet bald auch für die entsprechenden Regierungen. Jetzt hält er Schulungen über Taktik und Aufstandsbekämpfung ab, wozu er kaum qualifiziert ist. Verhörmethoden, wozu er überhaupt nicht qualifiziert ist. Und dergleichen mehr. Alles Mögliche. Bildet Polizeieinheiten aus, wahrscheinlich auch das Militär, und an dem Punkt beginnt er ernsthaft, sich um die Beschaffung von Waffen zu kümmern.«
    »Ist das illegal?«
    »Kommt darauf an, wie man es macht.« Sie zuckte mit den Achseln. »Inzwischen arbeiten natürlich auch ein paar ehemalige Armeekumpels für ihn. Während der Taktikschulungen legt er auch fest, was für eine Ausrüstung diese Einheiten benötigen werden. Er fängt klein an, versorgt Polizeitrupps, die gegen Terroristen vorgehen sollen, mit Spezialwaffen und Panzerwesten. Alles stammt von amerikanischen Firmen, zu denen er freundschaftliche Beziehungen pflegt. Und wenn Offiziere der jeweiligen Armeen mitbekommen, was er da treibt, sind sie normalerweise von seiner Rambonummer beeindruckt - der klassische, vielseitig talentierte amerikanische Elitesöldner, aber mit deutlich mehr Geschäftssinn, den sie auch wegen neuer Ausrüstung ansprechen können, die ihre Streitkräfte benötigen.« Sie legte ihren Löffel auf den Tisch. »Und jetzt kommt richtig viel Geld ins Spiel.«
    »Handelt er mit Waffen?«
    »Nicht ganz. Er wird zum Mittelsmann. Er knüpft Kontakte zu Leuten in den Vereinigten Staaten, die für Firmen arbeiten, die taktische Fahrzeuge bauen — Drohnen, Bombenroboter, Minenspür- und Räumgeräte ...« Sie richtete sich auf und griff wieder nach ihrem Löffel. »Und