System Neustart
heißen Stein. Um meiner Enttäuschung über die Bewohner dieses beschissenen Universums Ausdruck zu verleihen. Aber Sie müssen Bigend davon erzählen, und zwar bald.«
»Warum?«
»Weil ich Gracies Flugtermine habe, die APIS-Daten von der CBP. Er ist hierher unterwegs. Von Atlanta über Genf. Sieht so aus, als würde er sich dort mit jemandem treffen - er hat vier Stunden Aufenthalt. Dann fliegt er weiter nach Heathrow.«
»Und Sie fliegen nach Hause?«
»Große Scheiße, aber ja. Meine Kinder und mein Mann vermissen mich. Ich hab Heimweh. Muss wohl sein.« Sie legte den Löffel beiseite und griff nach den Essstäbchen. »Erzählen Sie alles Bigend. Heute Abend noch.«
43. Ichinomiya
»Vielen Dank, dass Sie so kurzfristig Zeit für mich haben«, sagte Meredith Overton, die in einem Sessel direkt unter dem Narwalständer saß. Sie trug eine Tweedjacke, die von Tanky&Tojo hätte stammen können, wenn sie denn dort Kleider für Frauen schneidern würden. Sie hatte angerufen, als Hollis sich gerade auf dem Rückweg von ihrem Treffen mit Bigend befand, in dem seltsamen, silbernen, klinisch sauberen Pick-up, der von Aldous gefahren wurde, einem der großen schwarzen Leibwächter.
»Der Zeitpunkt hätte nicht besser sein können«, sagte Hollis. »Ich habe gerade mit ihm gesprochen. Er wäre hocherfreut, ein Team von Blue Ant nach Ihren Schuhen suchen zu lassen.«
»Vorausgesetzt ich verrate ihm die Identität des Gabriel-Hounds- Designers.«
»Ja«, sagte Hollis.
»Das kann ich nicht«, sagte Meredith. »Deshalb bin ich auch hier.«
»Wieso nicht?«
»Tut mir leid. Ein Anfall von schlechtem Gewissen. Nun ja, nicht direkt ein Anfall. Mein Gewissen ist in recht guter Verfassung. Das ist eben das Problem. Ich wollte es umgehen, weil ich meine Schuhe wiederhaben möchte. George und ich haben die ganze Nacht nicht geschlafen und darüber diskutiert, und dabei ist mir klar geworden, dass ich einfach nicht dazu bereit bin. George ist natürlich auf meiner Seite. So sehr er Ihren Rat schätzt, was die Zusammenarbeit mit Inchmale betrifft.«
»Darauf kann er zählen«, sagte Hollis. »Ich dachte, das hätte ich in Paris deutlich gemacht. Die Erniedrigten und Beleidigten auf der ganzen Welt können sich auf mich verlassen.«
Meredith lächelte. Die junge Italienerin brachte den Kaffee. Es war früher Abend, und allmählich füllte sich der Raum mit einem eigenartigen Gemurmel, ein Vorbote des wilden Gedränges, das hier später herrschen würde. »Das ist sehr nett von Ihnen«, sagte Meredith. »Waren Sie mal in Japan?«
»Tokio, in erster Linie. Wir haben da gespielt. In riesigen Hallen.«
»Ich war dort, als ich meine zweite Saison zusammengestellt habe. In der ersten Saison waren alle Schuhe aus Leder gewesen. Das war mir vertrauter. Für die zweite Saison wollte ich es mit Stoff probieren. Einen klassischen Sommer-Sneaker. Ich brauchte ein ganz bestimmtes Segeltuch. Ein dichtes Material, strapazierfähig, haptisch angenehm. Etwas Besonderes.«
»Haptisch?«
»Wie es sich anfühlt. Jemand hat mir empfohlen, mit diesem Ehepaar in Nagoya zu reden. Sie hatten dort ein Atelier, über einem Lagerhaus am Rand einer Stadt namens Ichinomiya. So viel kann ich Ihnen verraten, weil sie nicht mehr dort sind. Sie haben Jeans hergestellt, aus Restbeständen der Mühle in Okayama. Je nach Länge reichte eine Rolle für drei Paar Jeans oder für zwanzig, und wenn die Rolle aufgebraucht war, war sie aufgebraucht. Ich hatte gehört, dass sie bei derselben Mühle auch Segeltuch gekauft hatten, Sechzigerjahre-Sachen. Das wollte ich mir anschauen, und wenn es gut war, wollte ich sie überreden, mir ein paar Rollen zu verkaufen. Sie hatten den Stoff für Jeans ausprobiert, aber er war zu schwer. Wirklich nette Leute. Von ihren Jeans hatten sie stapelweise Muster. Alte Fotografien von Amerikanern in Arbeitskleidung. Ihre Maschinen waren durch die Bank uralt, mit Ausnahme von der, die sie fürs Nieten verwendeten. Sie hatten eine deutsche Union-Special-Kettenstichnähmaschine. Eine Gürtelschlaufenmaschine aus den 1920er Jahren.« Sie lächelte. »Designer werden oft zu Maschinenfreaks. Maschinen bestimmen, was du machen kannst. Das, und die richtigen Leute, um sie zu be dienen.« Sie tat Zucker in ihren schwarzen Kaffee und rührte um. »Ich bin also in diesem Loft, im obersten Stockwerk des Gebäudes, wo sie die Stoffrollen lagern, auf Regalen, haufenweise. Alle unterschiedlich, und die Beleuchtung ist nicht so toll, und da wird
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