Taberna Libraria
"Wenn ich Glück habe, schneit es zum Jahresende wieder."
Silvana hob die Schultern. "Abwarten." Unvermittelt stieß sie Corrie an und deutete zu dem kleinen Pavillon voraus. Auf einer der Bänke darin saß ein Mann, der sie im selben Moment bemerkte und wild zu winken begann.
"Was macht der denn hier?", raunte Corrie ihrer Freundin zu, doch die warf ihr nur einen fragenden Blick zu. "Pause vielleicht? Na los, du wolltest ohnehin noch bei ihm vorbei."
"Wenn wir eine Entscheidung getroffen haben", zischte Corrie zurück, während sie strahlend in Mr. Watsons Richtung lächelte.
Silvana schob sie in Richtung Pavillon, wobei sie ebenfalls lächelte. "Ich weiß, dass du sie für dich schon längst getroffen hast und ich lasse dich hier nicht alleine. Also los. Hören wir, was er hier macht."
Als sie nahe genug waren, erhob sich Mr. Watson und kam ihnen gutgelaunt entgegen, wobei er die Holzstufen hinunterhüpfte. "Was für eine Überraschung, Sie beide hier anzutreffen", begrüßte er sie. "Schauen Sie sich ein wenig um, was Sie hier noch alles erwarten könnte?"
"Gewissermaßen", antwortete Corrie. "Man muss ja auch schließlich die Infrastruktur, Versorgungsmöglichkeiten und das allgemeine Umfeld berücksichtigen, bevor man sich irgendwo niederlässt."
"Da haben sie natürlich vollkommen recht", nickte der Makler. "Aber Woodmoore wird Sie in dieser Hinsicht sicherlich nicht enttäuschen. Wir haben zwar nicht unbedingt so moderne Läden wie andere Großstädte, aber dafür eine ausgezeichnete Anbindung mit dem Bus an Heathen Heights und Middledale, wo Sie alles finden werden, was Sie hier vielleicht vermissen. Aber wie ich schon in meiner Mail erwähnt habe, verfügt Woodmoore über drei Kindergärten, diverse Schulen und zwei Seniorenheime, sodass Sie dort auf jeden Fall eine breite Klientel abdecken können. Eine Übersicht über die Vereine und Geschäfte kann ich Ihnen gerne ausdrucken, wenn Sie sich für den Buchladen entscheiden sollten. Damit Sie wissen, was Sie bestellen sollten." Er zwinkerte den beiden Freundinnen verschwörerisch zu. "Nicht dass Sie Bücher über die Jagd verkaufen wollen, wo wir hier gar keine Jäger haben."
"Haben Sie eigentlich gerade Pause?", fragte Silvana, um seinen Redefluss zu unterbrechen.
"Ist grad nicht viel zu tun im Büro." Watson zuckte die Schultern. "Da genehmige ich mir ab und zu einen Spaziergang durch den Ort. Halte hier und dort ein Schwätzchen. Solche Dinge eben."
"Dann wartet niemand auf Sie?" Corrie verzog im selben Moment entschuldigend das Gesicht. "Tut mir leid. So persönlich wollte ich nicht werden."
Der Makler schenkte ihr ein flüchtiges Lächeln. "Ist schon gut. Da gibt es tatsächlich niemanden. Was allerdings nicht groß verwunderlich ist." Er räusperte sich. "Möchten die Damen sich denn noch weiter in Woodmoore umsehen, oder ist vielleicht schon etwas entschieden worden?"
Silvana sah ihre Freundin mit hochgezogenen Augenbrauen an, während sie überlegte, was Watson mit seiner Aussage gemeint hatte.
Was nicht groß verwunderlich ist
. Er sah zwar nicht übermäßig gut aus, war aber auch sicherlich weit entfernt von einem Quasimodo; hochgewachsen, schlank, mit freundlichen, braunen Augen und einem kleinen Musketierbärtchen in derselben honigblonden Farbe wie sein kurzes, gewelltes Haar. Vielleicht wirkte ja seine etwas altbackene Kleidung aus kariertem Sakko und moosgrüner Tweed-Hose abschreckend auf die Damenwelt …
Corrie indes nickte ihr kaum merklich zu, bevor sie den Makler wieder ansah. "Ich denke, wir könnten da etwas Abwechslung in Ihren Büroalltag bringen."
Mr. Watson lächelte erfreut und zeigte dabei einmal mehr seine großen, tadellos weißen Zähne zeigte. "Das nenne ich eine prächtige Entscheidung, meine Damen! Gestatten Sie dann, dass ich Sie zu meinem Haus geleite? Unterwegs zeige ich Ihnen noch das ein oder andere nette Plätzchen, das Sie auf keinen Fall in Woodmoore versäumen sollten."
Und da die beiden dieses Angebot schlecht ausschlagen konnten, folgten sie dem Makler. Er zeigte ihnen noch eine wunderschöne, sehr versteckt liegende kleine Kapelle und einen nicht weniger schwer zu findenden, idyllischen Picknickplatz mit Platz für höchstens drei oder vier Familien. Außerdem wies er sie auf mehrere, ganz besonders gestaltete Hausgiebel mit Steinfiguren hin, in deren Nähe Silvana ein ums andere Mal, von den anderen beiden unbemerkt, leises Wispern vernahm. Und schließlich führte er sie in eine kurze
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