Taberna Libraria
geschickt hatte, und prüfte die Substanz des Hauses. Er konnte jedoch keinerlei Mängel feststellen, die es zu beheben gegeben hätte. Ebenso wenig wurde der Dachdecker fündig. Auch nicht der Elektriker, der Installateur oder der Heizungsmonteur, die dem Haus allesamt einen hervorragenden Zustand bescheinigten. Lediglich der Malermeister hatte ein paar Verbesserungsvorschläge - gerade für die Küche. Aber auch für den Verkaufsraum selber.
Die ausgestopften Tiere und der Spiegel blieben vorerst, wo sie waren. Da das Zimmer nicht unmittelbar benötigt wurde, hatten die beiden Freundinnen entschieden, sich später um die Hinterlassenschaften des Vorbesitzers zu kümmern.
Nach der ersten Woche kamen beinahe jeden Tag Passanten vorbei, die sich ihre Nasen an den frisch geputzten Schaufensterscheiben platt drückten. Aber es schien sich in Woodmoore zu verbreiten, dass bald wieder ein Buchladen in dem kleinen Ort eröffnen würde. Einige ganz eifrige Einwohner hinterließen sogar bereits Bestellungen oder Wünsche bezüglich des Angebots und es verging kaum ein Morgen, an dem Corrie nicht triumphierend mit ein paar neuen Zetteln vor Silvanas Nase wedeln konnte.
Sogar am Dienstag, als die Windböen den Regen beinahe senkrecht über die Landschaft trieben, hatten sich Leute vor die Tür gewagt, um Bestellungen aufzugeben. Corrie, die nach dem Frühstück nur kurz den Müll nach draußen bringen wollte, stutzte bereits an der Ladentür. "Da sieh mal einer an!" entfuhr es ihr.
Silvana, die dabei gewesen war, die Lieferung mit den Globen und Straßenkarten auszupacken, hielt inne und kam herüber, um zu sehen, was ihre Freundin so erstaunte. Als sie den großen, weißen Zettel sah, presste sie kurz die Lippen zusammen. "Die Scheibe habe ich gestern erst geputzt. Wozu haben wir denn einen Briefschlitz?"
Corrie hatte unterdessen den Müllsack beiseite gestellt und den Zettel von der Scheibe der Tür gelöst. "Da sind doch kaum Flecken." Sie nickte vielsagend zu den Schaufensterscheiben, auf denen der Regen dicke Tropfenbahnen hinterlassen hatte. "Vielleicht sollten wir warten, bis das Wetter wieder besser ist, bevor wir nochmal alles putzen." Sie betrachtete das Stück Papier, auf das mit edel geschwungenen Buchstaben ein kurzer Text geschrieben war. "Hier, hör dir das mal an", forderte sie Silvana auf und begann laut vorzulesen. "Meine sehr verehrten Damen, es freut mich ungemein, dass wieder jemand seinen Weg in dieses verschlafene Nest gefunden hat, um uns mit unserer geliebten Literatur zu versorgen. Dafür gebührt Ihnen unser aller Dank. Es erfüllt mich bereits jetzt mit Freude, Sie nach der Eröffnung persönlich kennenzulernen. Doch bis dahin habe ich bereits einen Wunsch. Wenn es Ihnen möglich ist, bestellen Sie mir doch bitte das Werk 'Das Bestiarium des Malleezozzo Teil 1, Reptiliare und ihre Eignungen'. Mit ergebenen Grüßen, Ihr H.P.L. Marauner." Sie sah Silvana mit erhobenen Brauen an. "Das ist schräg, oder?"
"Und ob", nickte Silvana. "Der kommt erst mal mit zu den anderen auf den Stapel?"
"Zumindest solange, bis die EDV läuft und wir das Warenwirtschaftssystem am Start haben. Dann können wir auch gleich alle Bestellungen eingeben. Dad hat mir versprochen, dass heute jemand kommt und bis Donnerstag alles verkabelt ist." Sie gab Silvana den Zettel, nahm den Müllbeutel wieder auf und sah naserümpfend in den Regen hinaus. "Bin gleich wieder da."
Silvana grinste sie schief an. "Wo bleibt denn dein Spruch?"
"Mein Spruch?"
Silvana wedelte vielsagend mit dem Papier.
Corries Miene hellte sich auf. "Ach so! Klar, warte." Sie räusperte sich theatralisch. "Ich habe dir doch gesagt, dass der Laden hier laufen wird!"
Silvana nickte ergeben. "Es bleibt trotzdem ein Kaff."
"Aber ein liebenswertes, du wirst schon sehen."
"Es erinnert mich trotzdem an früher."
Corrie machte ein teilnahmsvolles Gesicht. "Hier wird es besser. Bestimmt. Schließlich sind wir beide ja hier - und keiner sonst, der uns ärgern kann." Sie schmunzelte. "Außer den Kunden natürlich."
Silvana seufzte, aber dann lächelte auch sie leicht. "Wird schon schief gehen." Damit wandte sie sich wieder den Globen zu. Den Zettel verstaute sie ordentlich gefaltet in ihrer Jeans.
Am Mittwochmorgen war der Regen wie durch Zauberhand verschwunden, und als Silvana die Tür zum Hof öffnete, strömte ihr beinahe milde Luft entgegen. Die Sonne kitzelte mit ihren Strahlen die kahlen Äste der Bäume im Hof und irgendein dick aufgeplusterter
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