Taberna Libraria
wollen. Und er hat euch sicherlich ebenfalls einiges mitzuteilen, was ihr wissen solltet."
"Cryas?", fragte Silvana stirnrunzelnd.
"Der Inhaber des Buchladens über uns", erwiderte Vincent hilfsbereit, da er Yazeem nicht länger vom Gehen abhalten wollte. Dieser wandte sich dankbar nickend dem Kreis zu. "Ich werde jetzt Vulco einen schönen Tag wünschen. Es wird mir eine Freude sein, euch nachher wiederzusehen." Damit trat auch er durch das Portal. Die Zeichen waberten noch für etwa zwei Sekunden, dann verloschen sie. Und mit ihnen der Durchgang.
Silvana setzte sich. "Das glaub ich alles nicht."
Vincent grinste. "Das geht jedem so, der das erste Mal hier ist. Ich habe gehört, dass Mr. Lien bei seinem ersten Besuch die Flucht über den Flur ergriffen haben soll." Er deutete mit dem Daumen über die Schulter zu der schweren Holztür. "Oben im Laden ist er dann unserem Gorgonen in die Arme gelaufen. Das hatte den Vorteil, dass man danach in aller Ruhe mit ihm sprechen konnte, bevor die Wirkung des Blicks nachgelassen hat. Also", er schwang sich auf das Schreibpult und musterte seine Gäste gutgelaunt. "Wenn ich das richtig verstanden habe, bist du Corrie? Und du Silvana, richtig? Und ihr habt den Buchladen von Mr. Lien wiedereröffnet."
Die beiden nickten.
"Prächtig!" Der Faun strahlte. "Dann werde ich euch beide am besten zu Cryas geleiten. Vermutlich brennen euch schon eine Menge Fragen auf der Zunge, nicht wahr?" Er sprang begeistert von seinem Pult herunter.
Corrie ließ noch immer den Blick durch den Raum und über die vielen Folianten und Pergamente in den Regalen wandern. "Eine hätte ich da jetzt schon, wenn es recht ist."
Vincent hielt mit der Hand auf der Klinke inne. "Bitte."
"Wo um alles in der Welt sind wir hier gelandet?"
Silvana nickte bekräftigend.
Der Ziegenmensch breitete die Arme zu einer allumschließenden Geste aus. "Ihr befindet euch hier im Reich der 100 Inseln. Das ist ein Teil einer Welt, die, einfach gesagt, neben der euren existiert. An Stellen, die sich überschneiden, ist es möglich, mit Hilfe von Portalen hinüberzuwechseln. So seid ihr eben hierher gekommen. Und so werdet ihr auch wieder zurückgelangen, wenn es an der Zeit dafür ist." Er zog die schwere Holztür auf und machte eine leichte Verbeugung. "Bitte, nach euch."
Dicht gefolgt von Silvana trat Corrie hinaus und fand sich in einem langen Korridor wieder, der ebenso wie der Raum hinter ihnen, aus Stein gemauert war. Es roch feucht und ein wenig muffig und das wenige Licht, das über die Wände flackerte, kam von Kerzen, die in Eisenkäfigen steckten. Die Gitter waren so eng, dass kaum ein Funke hinausdringen konnte.
Vincent ging voraus und führte sie vorbei an Unmengen von Kisten, dazu Truhen, Säcken und Lederbeuteln, welche die Gänge auf beiden Seiten säumten. Es gab auch eine Menge Türen, die sie passierten, doch keine von ihnen stand offen. "Was ist in all den Räumen?", wollte Silvana wissen.
"Hier unten bewahren wir viele Lagertitel auf - oder Titel, die für den normalen Verkauf zu gefährlich wären", antwortete der Faun. Zur Bestätigung blieb er an einer der nächsten Türen stehen und klopfte zaghaft an das eisenverstärkte Hartholz. Von innen antworteten Kettenrasseln und ein so grässliches Aufheulen, dass Corrie und Silvana das Gesicht verzogen. "Was war denn das?", fragten sie wie aus einem Munde.
Vincent zuckte gleichmütig die Schultern und setzte sich wieder in Bewegung. "Das ist Mutopis' Manifest - er war ein großer Zauberer. Leider ein wenig eigen. Um das Buch bei Laune zu halten, verlangt es nach den Eingeweiden junger Elfenmänner." Er schüttelte angewidert den Kopf. "Kein Wunder, dass die Lehren von Mutopis mittlerweile so gut wie vergessen sind."
"Scheint mir nicht das Schlechteste zu sein", nickte Silvana und warf noch einen Blick zurück auf die dreifach gesicherte Tür.
"Dabei ist es nicht einmal das schlimmste Buch in diesen Gewölben", erwiderte der Faun mit einem Zwinkern. "Aber sorgt euch nicht deswegen", fügte er hinzu, als er die entgeisterten Gesichter seiner beiden Begleiterinnen bemerkte. "Niemand wird diese Bücher je zu Gesicht bekommen. Nur im Liber Panscriptum ist verzeichnet, dass sie in unserem Besitz sind."
"Liber Panscriptum?" Corrie krauste verwirrt die Nase und kniff sich zum wiederholten Male in den Arm, um ganz sicher zu gehen, dass sie nicht träumte. Das war einfach zu verrückt!
"Das Standardwerkzeug für Buchhandlungen in dieser Welt", nickte
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