Taberna Libraria
Ehre gemacht. Und es ist kein kleiner Beutel. Ausreichend für wenigstens drei Schwarze Perlen." Er legte auch das Säckchen wieder an seinen Platz und trank einen kleinen Schluck Tee. "Kommen wir nun aber zu dem
wirklich
interessanten Inhalt dieses kleinen Kästchens." Langsam hob er die Hände zu seiner Brille und setzte sie ab. Seine Augen, die er dahinter offenbarte, waren trüb, beinahe weiß, und die dunkle Iris nur noch als Schemen zu erkennen - wie ein gefrorener See auf dessen Oberfläche sich feiner Schnee gesammelt hatte.
Erschrocken zuckten Corrie und Silvana zusammen und wechselten bestürzte Blicke, während Donnald beinahe schmerzlich den Kopf abwandte, als ertrage er den Anblick der blinden Augen seines Bruders nicht.
Dieser schien sich all dessen nicht bewusst zu sein. Entspannt verschränkte er die Finger auf der Tischplatte. "Wer von euch glaubt mir, dass ich die Karten
sehen
kann?"
Ein paar Herzschläge lang herrschte Schweigen am Tisch.
"Wie sollte das gehen?", fragte Corrie, die sich als Erste wieder fing.
"Ich kann auch Yazeem hier sehen. Und meinen Bruder."
"Aber ich denke, du bist blind!" entfuhr es Silvana, was ihr einen ärgerlichen Blick von Donnald einbrachte.
Yazeem hingegen hatte verstanden. "Dann sind die Karten also wirklich magischer Natur."
Corrie sah verwirrt von einem zum anderen. "Also ich komme grad irgendwie nicht mehr mit."
"Pass auf", sagte Talisienn freundlich und nahm die Karten zur Hand, ohne auch nur danach zu tasten oder in der Bewegung zu zögern. "Zwei Dinge sollte ich vielleicht erklären. Zum einen bin ich kein gewöhnlicher Vampir, sondern das, was man in unseren Kreisen einen Hexer nennt. Und ich bin nicht von Geburt an blind. Als Hexer kann ich die Ströme und Auren der Magie wahrnehmen, was nichts mit dem eigentlichen Sehen zu tun hat. Und als man mir mein Augenlicht nahm, blieb mir diese Fähigkeit erhalten. Alles, was Magie in sich trägt, vermag ich also zu sehen."
"Und das tun diese Karten", schloss Silvana.
"In der Tat. Wurden Sie bereits ausprobiert?"
"In der
Roten Flut
", entgegnete Yazeem. "Sie riefen einen Rollnessler herbei."
"Unabsichtlich", beeilte sich Silvana hinzuzufügen.
"Seid froh, dass es
nur
ein Rollnessler war." Talisienn ließ seine schlanken, beringten Finger über die Oberfläche der Tarotkarten gleiten. "Ihnen wohnt eine weitaus größere Kraft inne."
"Wie willst du das wissen?", fragte Corrie.
"Ich kenne diese Karten", antwortete Talisienn. "Zum einen kann man mit ihnen eine Vielzahl an Wesenheiten beschwören, die in den Meeren der 100 Inseln leben. Nicht nur Rollnessler, sondern auch Lavantane, Sternwale oder einen Sonnenfresser."
"Einen Sonnenfresser", wiederholte Yazeem und erbleichte sichtlich. "Oh heilige Kiriane. Und wozu sind sie noch gut?"
"Sie sind der Schlüssel zum Namen des
Zweiten Buches von Angwil
."
Im Wohnzimmer der McCaers war es so still, dass man den Wind hören konnte, der über die Terrasse strich.
Fassungslos starrte Yazeem den Vampir neben sich an. "Was hast du gerade gesagt?"
Talisienn lehnte sich zurück. "Diese Karten", wiederholte er langsam, "sind der Schlüssel zum Namen des Zweiten Buches von Angwil."
Sein Bruder schüttelte fassungslos den Kopf. "Ich nehme an, es ist sinnlos dich zu fragen, ob du dich nicht vielleicht täuschst."
Talisienn schenkte seinem Bruder ein schiefes Grinsen. "Du kannst ja wetten, ob ich richtig liege."
"Nicht, wenn du dir sicher bist."
Corrie betrachtete den Stapel vor Talisienn mit einer Mischung aus Verblüffung und Skepsis. "Woher weißt du, dass man Tarotkarten braucht, um den Titel herauszubekommen? Und wie kannst du dir so sicher sein, dass es sich ausgerechnet bei
diesem Deck
um das richtige handelt?"
Talisienn tastete vorsichtig nach der Teetasse, was Donn, wie auch schon bei der Nadel, beunruhigt vorzucken ließ. Sein Bruder schüttelte leicht den Kopf. "Es ist nur Tee, Bruderherz. An der Tasse kann ich mich nicht einmal verbrennen." Nachdem er einen weiteren Schluck getrunken und die Tasse zurückgesetzt hatte, wandte er sich Corrie zu. "Es gibt natürlich Aufzeichnungen der Novizen von Angwil, wenn auch nicht viele. Eine der Interessantesten war sicherlich jene, die Rabas Blutschatten fand, als er auf einer Kaperfahrt im Schneemeer auch auf das Erste Buch von Angwil stieß. Es war nur ein kleines Büchlein, nicht mehr als ein dünnes Notizheft, mit tagebuchartigen Aufzeichnungen. Es berichtete zum einen von dem Weg, den dieser Novize gemeinsam
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