Taberna Libraria
Kopf. "Ich werde den beiden jungen Damen den Weg zeigen."
Donn quittierte diese Bemerkung mit einem beinahe grimmig wirkenden Nicken und verschwand dann wieder durch eine Milchglastür, die dem Eingang direkt gegenüberlag.
Die drei Neuankömmlinge blieben alleine zurück.
Silvana schürzte die Lippen. "Ist der auch so charmant zu den Kunden im Laden? Wenn ja, sollten wir uns vielleicht schon Gedanken machen, wer den Laden nach uns weiterführen wird - wenn wir nämlich Pleite gemacht haben."
Yazeem bedachte sie mit einem beschwichtigenden Lächeln. "So ist er nur, wenn er unsicher ist oder wenn er sich Sorgen um seinen Bruder macht. Aber an den Kunden würde er es nie auslassen. Dazu kennt er die Einwohner von Woodmoore viel zu gut."
"Ich weiß trotzdem nicht, ob mich das großartig beruhigt."
Corrie war derweil ein wenig weiter gegangen, wobei sie beinahe peinlich genau darauf bedacht war, kein Geräusch auf dem spiegelblanken, grauen Marmorboden zu verursachen, das Donn wieder auf den Plan gerufen hätte. Überhaupt schien in diesem Haus genauestens darauf geachtet zu werden, dass alles akkurat, aufgeräumt und sauber war. Es gab nichts, das irgendwo unachtsam herumlag; die Mäntel, die Schuhe, alles war tadellos aufgereiht, nach Farben sortiert. Bilder an den cremefarbenen Wänden gab es keine, ebenso wenig wie Pflanzen. Sie hatte das Gefühl, sich entweder in einem Museum oder einer Arztpraxis zu befinden - wobei man selbst dort noch irgendwo eine Spur menschlichen Lebens gefunden hätte.
"Dann seid doch so gut und folgt mir. Wir setzen uns schon einmal." Yazeem ging voraus zu einer Tür neben der, durch die Donn verschwunden war. Sie ließ sich mit einem leisen Quietschen öffnen. Der Werwolf verbeugte sich wie ein Diener. "Bitte sehr, die Damen."
Sie folgten ihm in das Wohnzimmer, das im Gegensatz zu dem Eingangsbereich des Hauses durchaus eine gemütliche Atmosphäre verströmte. Der Fußboden bestand aus gemasertem Holz und die hohe Decke wurde von gleichfarbigen Streben getragen. Eine gigantische, graue Wohnlandschaft nahm den Bereich vor der verglasten Fensterfront ein, die sich zum Garten hin öffnete und im Kamin an der rückseitigen Wand brannte ein kleines, leise knisterndes Feuer. Der weitere Einrichtungsstil unterschied sich jedoch nicht von dem im Flur - es gab keine Deko, kein Grün, das auflockernd wirkte, nichts, das achtlos herumlag.
"Ist das hier immer so …
akkurat
?", wollte Corrie wissen.
Yazeem, der ihre Jacken entgegen nahm, bevor er sich selbst aus seinem Mantel schälte, nickte. "Donn hält wegen seines Bruders Ordnung. Jede Sache hat ihren Platz, nichts wird jemals verändert."
Silvana dämmerte es. "Der Grund, weswegen Talisienn keinen Beruf mehr ausüben kann … und weswegen ihn Donn nicht alleine lassen will … er ist blind, oder?"
Corrie sah ihre Freundin fragend an. "Ein blinder Vampir?"
Yazeem neigte den Kopf. "Du verfügst über eine rasche Auffassungsgabe." Im selben Moment veränderte sich sein Gesichtsausdruck. Seine Lippen formten ein warmes Lächeln und seine hellen Augen glitten zur Tür. "Wenn man von ihm spricht. Sei mir gegrüßt, Talisienn."
Corrie und Silvana wandten sich um. Hinter ihnen, im Türrahmen zum Flur, lehnte ein hochgewachsener, hagerer Mann ganz in Schwarz, dessen blasses Gesicht von feuerrotem, beinahe hüftlang herabhängendem Haar umrahmt wurde. Eine tiefschwarz getönte, randlose Brille verdeckte seine Augen und ein feines Lächeln umspielte seine dünnen Lippen. Keiner von ihnen hatte ihn kommen hören. "Wie schön, endlich wieder etwas Leben in diesem Haus zu haben", sagte er langsam und seine volle, dunkle Stimme mit dem kräftigen schottischen Akzent ließ Corrie und Silvana erschauern.
Besonders Silvana war von seinem Anblick beinahe wie gebannt.
Mit vorsichtigen, auch etwas mühevoll wirkenden Schritten kam er näher und blieb vor Yazeem stehen, so als könne er ihn sehen. "Du warst lange nicht mehr hier."
"Viel zu lange", stimmte Yazeem zu und umarmte den Vampir herzlich, wobei er die Jacken in den anderen Arm wechselte. "Wenn ich geahnt hätte, dass Donn noch immer so übervorsichtig ist …"
"Er wird sich so schnell nicht ändern."
"Nach 300 Jahren wohl nicht."
"304", korrigierte ihn Talisienn, bevor er lauschend den Kopf zur Seite neigte. "Möchtest du mir nicht auch deine Begleiterinnen vorstellen?"
Yazeem nahm Talisienn sanft am Arm. "Natürlich. Wie überaus unhöflich von mir." Mit dem Vampir an seiner Seite wandte
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