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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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Ganslmeier blieben eine letzte Nacht in der Wohnung, bewacht von zwei Polizisten, die vor der Tür Posten bezogen hatten, ehe sie am anderen Morgen auf den Friedhof verbracht wurden.

Montag, 10 . Juli 1922 ,
Volksgericht Landshut,
erster Verhandlungstag,
7 . 30  Uhr vormittags
    Schon lange vor Beginn der Verhandlung hat sich eine schier unüberschaubare Menge von Sensationshungrigen angesammelt. Vom Landgericht bis zum Gefängnis stehen sie dicht gedrängt. Ganz Landshut ist auf den Beinen, auch aus der näheren und weiteren Umgebung sind die Menschen angereist, um dabei zu sein. Selbst der Morgenzug aus München ist hoffnungslos überfüllt. Nicht einmal das nasskalte Wetter dieses Sommers hält die Neugierigen fern. Die Wartenden ergehen sich in lebhaften, bisweilen hitzigen Debatten über den Prozess und die Tat. Einige besonders Verwegene versuchen, in riskanten Manövern auf Mauern, Zäune und Straßenlaternen zu klettern, getrieben von der vagen Hoffnung, einen Blick auf die Angeklagten werfen zu können.
    Das Landgericht selbst ist durch einen Kordon aus Mannschaften der Landespolizei abgeriegelt. Noch nie zuvor war ein derart hohes Aufkommen an Polizeikräften in der Stadt im Einsatz. Nicht einmal während der Zeit der Räterepublik, als doch die Gewalt der Revolution in München jederzeit auch auf die anderen bayerischen Städte hätte übergreifen können. Die Beamten stehen in Zweierreihen um das Gebäude, nur wenige Auserwählte haben eine Zuschauerkarte für den Prozess erhalten, für sie öffnet sich die Absperrung einen Spalt breit, gerade groß genug, um hindurchzuschlüpfen.
    Vor der geschlossenen Tür des Sitzungssaals warten sie dann erneut darauf, eingelassen zu werden. Drücken und schieben sich gegenseitig. Mitten im Gerangel zahlreiche Berichterstatter der regionalen und überregionalen Tageszeitungen. Kurz vor acht Uhr öffnet sich die Tür, und jeder der Wartenden versucht, sich so schnell wie möglich hindurchzuzwängen, um auch wirklich einen Platz mit guter Sicht auf die Angeklagten zu erhalten.

Montag, 3 . April 1922 ,
München, Lothringerstraße,
Zimmerwirtin Maria Lederer,
5 . 30  Uhr morgens
    Wie jeden Tag stand Maria Lederer auch heute um halb sechs in der Frühe auf, wusch sich im Schlafzimmer am Waschtisch ab und schlüpfte in das blaue Werktagsgewand. Sie band sich die Schürze um, frisierte sich die Haare streng nach hinten und steckte den langen, dünnen Zopf zum Dutt hoch. Jetzt erst war sie für den Tag zurechtgemacht, sie öffnete das Fenster zum Lüften und ging hinüber in die Küche, um sich die morgendliche Tasse Kaffee aufzubrühen. Während der Topf mit Wasser auf dem Herd langsam zu kochen anfing, zog sie die Vorhänge in der Küche auf und nahm das Tuch vom Kanarienvogelkäfig.
    Maria Lederer summte vor sich hin, als sie die Dose mit dem Vogelfutter aus dem Küchenbüfett holte. Vom Flur her hörte sie, wie die Wohnungstür aufgesperrt wurde. Für einen kurzen Moment hielt sie inne, blickte hinüber zur Küchenuhr, fünf nach sechs, gleich danach fiel die Tür ins Schloss. Die Zimmerwirtin schüttete die Vogelkörner vorsichtig in den Futternapf und stellte die Dose wieder an ihren Platz ins Büfett. Der Kanarienvogel hüpfte aufgeregt im Käfig von Stange zu Stange.
    »Dir geht’s gut, Batzi, gell! Schau, ich stell dir wieder ein schönes Futter rein, und ein frisches Wasser kriegst auch gleich.«
    Der Wasserkessel fing zu pfeifen an.
    »Ja, ja, nur immer mit der Ruhe, den Käfig müssen wir schon wieder sauber machen, den hast ganz verschissen. Weilst halt immer so einen Dreck machst, Batzi.«
    Sie ging hinüber zum Herd und schüttete das kochende Wasser vorsichtig über das Kaffeemehl im Filter. Mit der vom Sonntag übriggebliebenen Hefenudel und einem Haferl frischem Kaffee setzte sie sich neben den Vogelbauer an den Küchentisch.
    Als die ersten Strahlen der Morgensonne in den Käfig fielen, fing der Vogel lautstark an zu zwitschern.
    Maria Lederer trank ihren Kaffee und hörte zu. Sie bemerkte Thea Schwankl erst, als das Mädchen sie ansprach.
    »Frau Lederer, entschuldigen Sie, ich hab gehört, dass Sie in der Küche sind.«
    »Mein Gott, haben S’ mich jetzt erschreckt, Fräulein Thea, ich hab Sie gar nicht bemerkt.«
    »Ich hab den Vogel singen hören, deshalb bin ich herein.«
    Thea Schwankl stand im Türrahmen. Verloren sah sie aus.
    »Was ist denn mit Ihnen? Sie schauen aus, als ob Ihnen der Leibhaftige über den Weg gelaufen wäre.«
    Das Mädchen

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