Täuscher
gerade von der Polizei.« Die Stimme war tonlos. »Der Hubert, der soll einen Mord begangen haben.«
Die Vermieterin erschrak, wusste nicht, was sie sagen sollte.
»Sie haben ihn doch auch kennengelernt, den Hubert. Mit seinem Vater war er hier, am Sonntag ist es zwei Wochen her.«
Thea sah zur Hauswirtin hinüber. Ihre Haltung hatte etwas Flehendes, ganz so, als stünde es in der Macht von Maria Lederer, mit einem Satz, nein, mit einem einzigen Wort, jeden Verdacht auszuräumen, dabei kannte die doch den Hubert, wie ihn das Mädchen nannte, gar nicht. Sie hatte ihn nur zwei-, vielleicht dreimal gesehen, und auch nur kurz zwischen Tür und Angel.
Auf den üblichen Liebeskummer ihrer Untermieterinnen war sie vorbereitet gewesen, aber auf das? Sie hielt es für besser, stumm zu bleiben, setzte sich neben das weinende Mädchen auf das Kanapee und nahm es in den Arm. Kaum spürte Thea den warmen Körper neben sich, fiel sie in sich zusammen, rutschte ein Stück nach unten und legte ihren Kopf in den Schoß der Vermieterin. Zusammengerollt wie ein kleines Kätzchen lag Thea neben der Lederer.
»Ausgeraubt und umgebracht. Ich kann’s nicht glauben.«
Sollte sie dem Fräulein Thea sagen, dass sich schon alles klären würde und dass es im Leben immer irgendwie weitergehe? Aber würde das nicht falsch und verlogen klingen? Und helfen würde es dem Mädchen auch nicht.
Da fing Thea leise zu sprechen an.
Die Zimmerwirtin hörte nur zu, sagte kein Wort, selbst dann nicht, wenn Theas Stimme von Zeit zu Zeit abbrach. Sie saß da, mit dem Kopf des Mädchens in ihrem Schoß, strich diesem hin und wieder sanft über das Haar, wartete und ließ ihm Zeit, sich alles von der Seele zu reden.
»Im August ’ 19 bin ich mit meinen Eltern nach Landshut gezogen, da hab ich den Hubert kennengelernt. Er hat mir gleich gefallen, von Anfang an. Er interessiert sich für das Theater, die Musik und die Literatur, genau wie ich. Ein Freund von meinem Bruder, der Fritz, der hat in der Bürstenfabrik Täuscher als Geselle gearbeitet. Und da hab ich den Hubert hin und wieder getroffen, wenn ich den Fritz von der Arbeit abgeholt habe.
Die Arbeit in der Fabrik hat dem Hubert nie gefallen, aber seine Eltern, die wollten halt, dass er den Betrieb übernimmt.
Daheim sind sie ihn immer hart angegangen. Nichts hat er ihnen recht machen können. Seine Liebe zum Theater und zur Musik haben die Eltern nicht verstanden. Denen war das Geschäft immer das Wichtigste. Mich hat der Hubert so gedauert, immer verzweifelter ist er geworden, und wie er keinen Ausweg gesehen hat, da hat er halt eine Dummheit gemacht. Er wollte von zu Hause weglaufen, nach München, und weil er kein Geld gehabt hat, hat er es im Betrieb unterschlagen. Zuerst hat ihn sein Vater nicht in Verdacht gehabt. Der hat es zwar nicht verstehen können, hat aber gemeint, dass der Fritz, der Geselle, es getan hat. Und wie der Fritz es abgestritten hat, da ist es schließlich zur Anzeige gekommen, und da ist alles aufgeflogen.«
Das Mädchen hielt kurz inne, ehe es weitersprach. »Die Polizei hat herausgefunden, dass es der Hubert war. Sein Vater hat nichts mehr machen können, und so ist es dann vor Gericht gegangen. Zu sechs Monaten ist er wegen der Sache damals verurteilt worden, weil er aber sonst einen guten Leumund hat, haben sie ihm die Strafe zur Bewährung ausgesetzt. Selbst der Fritz, der Geselle, hat für ihn gesprochen.
Auch wenn ich es nicht richtig gefunden hab, dass der Hubert sich dazu hat hinreißen lassen, so hab ich ihn doch geliebt und zu ihm gehalten.
Bis vor ein paar Monaten, da hat er angefangen, sich herumzutreiben. Ganze Nächte ist er im Café oder im Kino gewesen. Er hatte sich verändert, und ich hab nicht gewusst, was ich machen soll, und wie ich dann noch durch Zufall gehört habe, dass er ein Techtelmechtel mit einer anderen angefangen hat, da hab ich ihn zur Rede gestellt. Erst hat er sich herausgeredet, dass er nur Klavier- und Gesangsstunden bei ihr nimmt. Aber wie er nicht von ihr gelassen hat und mir zu Ohren gekommen ist, dass die beiden sich verlobt hätten, da hab ich ihn gezwungen, sich zu entscheiden. Und als er das nicht konnte, selbst dann nicht, als ich ihn vor seinen Eltern und der anderen zur Rede gestellt habe, da bin ich weggegangen aus Landshut.«
Das Mädchen richtete sich auf und erzählte weiter. »Ich bin hierher nach München, nur meine Eltern wussten, wo ich war. Zwei Wochen später, Mitte Februar, ist der Hubert dann unten vor
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