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Täuscher

Täuscher

Titel: Täuscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrea Maria Schenkel
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wollte antworten, schüttelte jedoch nur den Kopf und fing zu weinen an. Die Lederer stand von ihrem Stuhl auf, ging hinüber und nahm Thea Schwankl am Arm. »Kommen S’, setzen Sie sich, Fräulein Thea.«
    Thea gehorchte und nahm am Fenster Platz. Blass saß sie da, fast schien es der Lederer, als würde sie hinter dem Küchentisch verschwinden, so zerbrechlich sah sie aus. Die Vermieterin trank ihr Haferl Kaffee, dann stellte sie die Tasse hinüber in den Ausguss. Sie ließ dem Mädchen Zeit, bedrängte es nicht, erledigte all die Arbeiten, die sie in der Küche zu verrichten hatte, früher oder später würde das Fräulein Thea zu sprechen anfangen, und sie würde sich dann neben sie auf das Kanapee setzen und zuhören. Maria Lederer vermietete lange genug, es war nicht das erste Mal, dass eines ihrer Zimmerfräulein mit verweinten Augen hier in ihrer Küche saß.
    Das Fräulein Thea wohnte seit dem 1 . Februar bei ihr in der Lothringerstraße. Die Lederer wusste, dass sie von Landshut nach München gezogen war und dass sie eine Stelle in der Bayerischen Korkfabrik in der Schwanthalerstraße als Kontoristin hatte. Ein anständiges Mädchen, bisher hatte es nichts zu klagen gegeben. Außer gelegentlich an den Wochenenden nie Herrenbesuch. Der Herr, der kam, war immer derselbe, darauf achtete die Lederer. Wechselnde Herrenbekanntschaften brachten nicht nur die Untermieterinnen in Verruf, auch für sie als Zimmerwirtin wäre es kein guter Leumund. Der Bekannte vom Fräulein Thea war elegant gekleidet, die Lederer schätzte ihn auf Anfang zwanzig, das Haar dunkel gescheitelt und nach der neuesten Mode geschnitten. Stets mit Mantel und Hut und Handschuhen. Dass er aus einer guten Familie kam, konnte man sehen, an seiner Kleidung und an den Manieren. Ein bisserl ein Geck war er schon, aber viel besser als die jungen Dutterer, mit denen sich die Zimmerfräulein sonst gerne abgaben. Dampfplauderer mit nichts dahinter. Eine schöne Larve, ein großes Mundwerk und nicht genügend Knöpfe in der Hosentasche, um sich etwas Anständiges zum Essen kaufen zu können, aber angeben wie der Graf Goggs. Der junge Mann schien anders zu sein. Seriöser. Am Sonntag vor zwei Wochen war er sogar mit seinem Vater hier gewesen. Maria Lederer deutete dies als Zeichen, dass es etwas Ernstes war zwischen den beiden. Wie es sich gehörte, hatte ihr das Fräulein die Herren auch vorgestellt. Die Lederer hatte Thea angeboten, mit den Herren doch im Salon Platz zu nehmen. Das war schicklicher, als sie mit aufs Zimmer zu nehmen. Wenig später war das Fräulein in die Küche gekommen, um für die Besucher Tee zu kochen. Nach einer Zitrone hatte sie noch gefragt, da ihr Bekannter zum Tee immer gerne eine Scheibe Zitrone nehme. Das Mädchen wirkte etwas zerstreut, die Vermieterin führte diese Nervosität auf den Besuch des Vaters zurück. Später, Maria Lederer wollte gerade zur Abendandacht aufbrechen, liefen ihr die Besucher noch einmal im Gang über den Weg. Auch sie waren gerade dabei zu gehen, und so traf es sich, dass sie alle gemeinsam die Treppen hinunterstiegen. Das Fräulein Thea wollte die Herren noch zum Bahnhof begleiten. Der junge Mann war angespannt. Bei der Verabschiedung war er fahrig, hatte rote Flecken in dem ansonsten ganz blassen Gesicht. Damals hatte sie gar nicht so sehr darauf geachtet, aber wenn sie jetzt im Nachhinein darüber nachdachte, hätte er auch aufgewühlt gewesen sein können, denn kurze Zeit vor dem Aufbruch der Besucher hatte sie laute Stimmen aus dem Zimmer gehört. Nicht dass es sich nach einem Streit oder gar Geschrei angehört hatte, bei Gott, nein! Nur ein klein wenig lauter war es gewesen. Gerade so, dass sie es bis in ihr Schlafzimmer hinüber gehört hatte, wo sie sich umzog und für die Kirche fertig machte.
    Und jetzt, wenige Tage später, saß das Mädchen blass und mit verweinten Augen auf ihrem Kanapee in der Küche.
    »Die Mannsbilder«, sagte Maria Lederer leise zu sich selbst. Sie würde dem Fräulein Thea, wie all den anderen Untermieterinnen davor, die sich hier an ihrem Küchentisch ausgeweint hatten, am Ende sagen, dass die Zeit alle Wunden heilt und die Welt sich weiterdreht. Und dass, wie schon ihre Großmutter, Gott hab sie selig, gesagt hat, wegen einer Staude noch nie eine Geiß verreckt ist.
    Maria Lederer ging zum Vogelkäfig. »Na, Batzi, magst ein Wasser?« Aus dem Augenwinkel heraus sah sie das Mädchen. Es saß immer noch zusammengekauert wie ein Häuflein Elend da.
    »Ich komm

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