Tag, an dem meine Schwester zur Dämonin wurde
Oberste Dämonenrat nicht dazu da, Menschen zu quälen? Sie würde lernen müssen, dass es heftigere Qualen gab als ein Brenneisen im Gesicht.
Als die Tür abermals ging, schaute Zarah den Dämonen entgegen. Es wurde eng in ihrem Zimmer. Fieberhaft versuchte sie, sich Antworten zurechtzulegen, auf Fragen, die nicht gestellt werden würden. Denn wer fragte schon einen Menschen nach seiner Sicht der Dinge?
Gaius trat vor und stellte sich vor ihr Bett. Zarah erhob sich, auch wenn sie neben seiner hohen, drahtigen Statur einem Ungeziefer glich. Einer seiner Begleiter brachte ihm den Stuhl, der andere blieb an der Tür stehen.
Gaius knöpfte sein Sakko auf, setzte sich und strich die Falten seiner Anzughose glatt. Jetzt war er auf Augenhöhe mit ihr.
Sie vermochte kaum, Luft zu holen. Sie hörte sich stammeln. Obwohl sie sich geschworen hatte, keine Schwäche zu zeigen. »Was passiert ist, ist meine …«
Seine Hand schnellte vor. »Du schweigst, ich rede.« Er hatte sie nicht angefasst, und dennoch fühlte es sich wie eine Ohrfeige an. »Mir scheint, du hast zu lange außerhalb des Ordnungsamtes gearbeitet und ganz vergessen, dass man zu den Abgeordneten des Obersten Dämonenrates nicht ungefragt spricht.« Er lehnte sich zurück, faltete die Hände und tippte sich mit den ausgestreckten Zeigefingern an die Nasenspitze. Das Grau in seinen Augen glänzte wie Quecksilber. Enyas Grau. »Gut. Freut mich, dich zu sehen. Alles in Ordnung bei dir? Keine Beschwerden?«
Sie wich einen Schritt zurück, sodass sie gegen das Nachtschränkchen stieß. »Alles bestens.«
»Sehr schön. Ich bin hier, um dir zu deinem Ermittlungserfolg zu gratulieren. Du bist Abbas auf die Schliche gekommen und hast seine Pläne durchkreuzt, wodurch du von uns allen eine Katastrophe abgewendet hast. Selbstverständlich haben wir geahnt, dass jemand versucht, eine Art Gottheit zu erschaffen, welche die Magie mit allen Sinnen empfangen und mit ihr kommunizieren kann. Genau aus diesem Grund wurde ich, kurz bevor du dich vor dem Tribunal verantworten musstest, nach Hamburg abkommandiert. Doch den Schuldigen hast ausgerechnet du überführt.«
»Ausgerechnet ich …«, murmelte sie und verstummte, als die Quecksilberaugen sie erneut scharf angemahnt haben.
»Ohne deinen Einsatz wäre es Abbas womöglich gelungen, sich den Auserwählten untertan zu machen und somit über die Welt zu regieren. Ja, die Wege der Magie sind unergründlich, ausgerechnet ein hilfloses Baby diente als Gefäß für ungeahnte Kräfte.«
Zarah riss die Augen auf, doch ihr überraschtes Schnauben ging in Gaius’ Husten unter. Erst als er sich ausgiebig und laut geräuspert hatte, winkte er ab. »Setz dich und sei endlich still. Du machst mich ganz nervös mit deinem Herumgezappele.«
Sie löste sich von dem Nachtschränkchen, tastete nach dem Bett und sank auf die Kante.
»Etwas weiter zu mir, wenn ich bitten darf.«
Sie drehte sich, wandte den Bewachern an der Tür den Rücken. Es kostete sie Überwindung, ruhig zu bleiben und nicht zu versuchen, die beiden im Auge zu behalten. Aber zumindest konnten sie nun nicht mehr in ihrem Gesicht lesen.
»Gut so. Fahren wir fort. Dank deinem Erfolg wurde vom Obersten Dämonenrat einstimmig beschlossen, deine Arbeit als offizielle Ermittlung einzustufen und dich wieder in den Dienst einzuberufen. Kurzum: Du erhältst all deine Rechte zurück. Der Direktor des Ordnungsamtes wird sich noch persönlich bei dir entschuldigen, Abbas’ Lügen, mit denen er dich diskreditieren wollte, Glauben geschenkt zu haben. Nun ist klar, dass der Ghul alles versucht hat, um dich aus dem Weg zu räumen, als du einen Verdacht geschöpft hast und gegen ihn auf eigene Faust ermitteln wolltest. Der Oberste Dämonenrat weiß es zu würdigen, dass du trotz aller Widrigkeiten nicht aufgegeben hast.«
Zarah öffnete den Mund. Noch vor wenigen Minuten hatte sie versucht, sich irgendwelche Erklärungen zurechtzulegen, dabei war das, was sich der Dämonenrat hatte einfallen lassen, um einiges fantasiereicher. Wie groß war das Fiasko tatsächlich, dass die Regierungsspitze in solchen Nöten war?
Gaius winkte seine Begleiter herbei. Der eine brachte eine nagelneue Digitalmarke, eine Ausweis-Chipkarte und ein Dienst-Phon. Der andere legte einen Stapel Uniformkleidung neben sie.
»Dein Dienstmotorrad steht auf dem Parkplatz des Krankenhauses. Ich hoffe, du hast noch nicht verlernt zu fahren, Ordnungsaufseherin Zarah. Willkommen im Dienst.«
Rasch schaute sie in
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