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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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Schaltz waren als Szatmar-Cassidim in Williamsburg aufgewachsen. Aber Onkel Perry hatte das auch gehaßt und konnte es gar nicht erwarten, so schnell wie möglich da rauszukommen. Doch dann tauchte Bracha auf. Ich nehme an, das Geld war zu verlockend. Also mußte Onkel Perry sich anziehen wie ein Szatmar, Jiddisch sprechen wie ein Szatmar und seinen Sohn zu einem Szatmar erziehen.«
    »Warum haben sie denn dann in Kew Gardens gewohnt?« fragte Decker.
    »In diesem Punkt hat Onkel Perry sich durchgesetzt«, sagte Big Hersh. »Er hat gesagt, er würde sie nicht heiraten, wenn sie in Williamsburg leben müßten, weil sie eine einzige Peinlichkeit wäre. Also haben sie sich, wie meine Mutter mir erzählt hat, auf einen Kompromiß geeinigt. Sie könnten in Kew Gardens wohnen, bis Hersh zehn war. Dann wollte Mr. Kornitski, daß sein Enkel Mitglied der Szatmar-Gemeinde würde. Onkel Perry war einverstanden, weil es ihm eigentlich nur um das Geld ging. Und was sie ihm gaben, gab er immer gleich wieder aus.«
    Decker fragte, wofür er denn das Geld ausgegeben hätte. Big Hersh antwortete, für alle möglichen Sachen – und für Frauen. Jeder hätte gewußt, daß Onkel Perry sich mit Frauen herumtrieb.
    »Wußte sein Sohn das auch?« fragte Decker.
    »Er hat es herausgefunden, als Onkel Perry eine Schickse heiratete«, sagte Big Hersh. »Er ließ sich von Tante Bracha scheiden, sobald Mr. Kornitski gestorben war. Der Alte hatte ihm in seinem Testament zwar etwas Geld hinterlassen, doch der größte Teil des Geldes ging an Brachas Bruder. Und der hätte Onkel Perry um nichts in der Welt auch nur einen Cent geliehen. Also ließ sich Onkel Perry von seiner Frau scheiden und heiratete seine Kourwe – die Schickse.«
    Big Hersh schwieg einen Augenblick.
    »Es ist alles sehr traurig«, sagte er. »Natürlich ist es einfach, Onkel Perry die Schuld zu geben, aber immerhin hat er zwölf Jahre mit dieser Frau zusammengelebt. Ihr so was wie einen Lebensinhalt gegeben. Und dann ist er so furchtbar gestorben. Haben Sie davon gehört?«
    Decker bejahte das. Dann fragte er, ob sein Vetter möglicherweise dabei die Finger im Spiel gehabt haben könnte. Big Hersh erklärte, dafür hätte es nie irgendwelche Indizien gegeben, obwohl sich alle immer noch wunderten. Es wäre vermutlich einer der Fälle, die nie geklärt würden.
    »Wann hat Hersh angefangen, sich auffällig zu verhalten?« fragte Decker.
    »Sie meinen, verrückt zu spielen? Solange ich mich erinnern kann, hat er schon immer verrückt gespielt. Schon als Kind, wenn er im Laden gearbeitet hat, war er seltsam. Sehr still. Ein Einzelgänger. Nachdem Sejde gestorben war, verhielt er sich noch verrückter. Er kam nur noch ein- oder zweimal in den Laden, nachdem der Alte gestorben war. Ich hatte inzwischen das Geschäft übernommen. Ich war zwar erst neunzehn, aber ich hatte genug Erfahrung. Hershie hatte sich nie für das Geschäft interessiert, nur für Sejde.«
    Er zögerte.
    »Das letzte Mal, als ich Hershie gesehen hab’, das war im Laden. Er hat mich gefragt, ob er ein paar von Sejdes Fischmessern haben könnte. Ich fand das sehr merkwürdig. Wozu brauchte er die Messer, wenn er nicht mehr im Geschäft arbeiten wollte? Und eigentlich brauchte ich die Messer ja. Aber ich hab’ ihm gesagt, er solle sich was aussuchen, weil ich glaubte, daß Sejde das von mir erwartet hätte. Er hat sich nicht allzu viel genommen, aber immerhin die besten Weidemesser, ein Hackbeil, einen Hammer, ein Messer zum Filetieren und Sejdes Schleifstein. Sehr merkwürdig.«
    Hersh zögerte erneut.
    »Während er sich die Sachen aussuchte, hab’ ich mir gedacht: ›Er ist genau wie seine Mutter. Nur noch eine Frage der Zeit, bevor er auch völlig durchdrehte Selbst als Sejde noch lebte, war Hershie schon seltsam. Er hatte so ein unheimliches Grinsen. Das machte sogar mich ein bißchen nervös. Ich hab’ immer darauf gewartet, daß er wahnsinnig wird. Ist er aber nicht. Vielleicht hat Sejdes Liebe ihn davor bewahrt.«
    Vielleicht – aber nur eine Zeitlang. Decker dachte an den ganzen Fisch in Hershs diversen Zimmern und fragte, ob Hersh – Hershie – gern in dem Fischladen gearbeitet hätte.
    »Hershie haßte den Laden.« Big Hersh zögerte, dann sagte er: »Ich sollte wohl besser sagen, er haßte die Kunden. Hat fast nie gelächelt. Und wenn er’s denn mal tat, dann war es dieses unheimliche Grinsen, von dem ich erzählt hab’. Ich glaube, daß er die Kunden abgeschreckt hat, deshalb hat Sejde zu

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