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Tag der Buße

Titel: Tag der Buße Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Faye Kellerman
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gesagt hab’?«
    »Yeah, ich hab’s gehört«, sagte Noam.
    »Also machen wir jetzt ’nen Plan, oder was ist?« sagte Hersh.
    Noam blickte auf. »Du hast doch gesagt, wir hätten so viel erbeutet, daß wir erstmal ’ne Weile nichts tun brauchten.«
    »Klamotten sind teuer«, sagte Hersh.
    Noam senkte den Blick wieder auf sein Buch, aber er konnte sich nicht auf die Worte konzentrieren. Überleg dir was, brüllte er sich innerlich an. Denk nach! Denk nach! »Könnten wir nicht die Kreditkarten von dem Typ benutzen?« sagte er schließlich.
    »Die hab’ ich alle mitsamt der Brieftasche weggeschmissen«, sagte Hersh. »Man kann keine gestohlenen Karten benutzen. Die können zurückverfolgt werden.«
    »Wir hätten sie doch einmal benutzen und dann abhauen können …«
    »Geht nicht«, sagte Hersh. »Bringt zu viel Mist.«
    »Aber jemand umbringen ist eine saubere Sache?«
    Hersh warf sich auf das Bett und schlug Noam das Buch aus den Händen. Dann packte er Noam am Hemd und zog sein Gesicht direkt vor seine Nase. »Du hast Scheiß gebaut!« zischte er so heftig, daß Noam der Speichel ins Gesicht spritzte. »Wenn du keinen Scheiß gebaut hättest, würd’ der Typ noch rumlaufen.«
    Noam spürte, wie ihm das Herz bis zum Hals schlug, aber er zwang sich, ganz regungslos zu bleiben. Hersh hielt ihn noch einen Augenblick fest, dann stieß er ihn wieder auf das Bett.
    Noam zog sein Hemd glatt und wischte sich das Gesicht ab. Er hatte Angst, aber nicht mehr so sehr wie am Anfang. Er hatte zwei Möglichkeiten. Er konnte machen, was Hersh wollte, oder er konnte sich weigern. Der Blick in Hershs Augen sagte ihm, daß er sich im Moment nicht weigern konnte, ohne sich Prügel einzuhandeln. Also besser erstmal so tun, als würde er mitmachen, und dann später entscheiden, was er wirklich machen würde. Wenn Hersh mal nicht da war, würde er sich alles genau überlegen.
    »Was willst du denn tun?« flüsterte Noam.
    Das schiefe Grinsen erschien. »Du kannst ja noch reden.«
    »Weißt du was?« entfuhr es Noam plötzlich.
    »Was?«
    Noam zögerte. Halt den Mund, ermahnte er sich. Sag’s nicht. Halt bloß den Mund.
    »Was, Nick-O?«
    »Nichts.«
    »Nun red schon«, sagte Hersh. »Ich tu’ dir nichts.«
    Plötzlich sprudelten die Worte aus Noam heraus. »Ich glaub’ schon, daß wir das Geld brauchen. Aber ich glaube auch, daß es dir Spaß macht, Leuten weh zu tun.«
    Das Grinsen verschwand. Noam machte sich auf die Strafe gefaßt. Harte Fäuste, die auf sein bereits zerschundenes Gesicht einschlagen würden. Er rollte sich zusammen und zog den Kopf ein. Doch immer, wenn er mit dem Schlimmsten rechnete, passierte nichts.
    Das war das Unheimliche an ihm. Hersh war so unberechenbar. Noam hob den Kopf. Das schiefe Grinsen war wieder da.
    »Was ist denn daran schlimm?« fragte Hersh.
     
    Die Situation war fast die gleiche wie beim ersten Mal, außer daß Hersh diesmal in eine Schwulenbar ging, in der die Gäste zugaben, daß sie schwul waren. Schwule, meinte Hersh, wären die besten Opfer, weil sie wie Frauen waren. Sie würden bloß schreiend herumhüpfen, aber sich nie wehren.
    Blödsinn, dachte Noam. Der Mann, den Hersh umgebracht hatte, hatte gekämpft wie ein Tiger.
    Noam spürte, wie sein Magen rebellierte, und stieß mehrfach sauer auf. Seit einer Stunde mußte er sich dauernd übergeben. Er fühlte sich geschwächt, wagte aber nicht, irgendwas zu Hersh zu sagen.
    Noch einmal. Dann war Schluß!
    Diesmal waren sie in West Hollywood, weit entfernt von Grauman’s Chinese Theatre. In dieser Gegend von West Hollywood war alles sehr schick. Große Fitness-Studios, viele Restaurants, viele Geschäfte. Und viele Schwule. In allen möglichen Aufmachungen. Einige sahen aus wie Frauen. Manche trugen sogar Make-up. Andere sahen wiederum ziemlich tough aus, trugen Lederklamotten, lange Haare und Ohrringe und hatten Schnurr- oder Vollbarte. Sie sahen genauso tough aus wie Axl Rose. Es war merkwürdig, solche Macho-Typen Hand in Hand zu sehen.
    Er hätte seinen Brüdern so viel zu erzählen gehabt.
    Seine Brüder.
    Er hatte sie immer gehaßt, jetzt vermißte er sie. Vermißte sogar das winzige Zimmer, das sie miteinander teilten. Zu Hause war er nie ungestört gewesen, hatte nie etwas tun können, ohne daß es jemand mitbekam. Jetzt hatte er mehr Freiheit, als er je im Leben gehabt hatte, und trotzdem fühlte er sich so gefangen wie noch nie.
    Hersh ließ ihn wieder in einer Gasse warten. Die Gegend mochte zwar viel besser sein als

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