Tag und Nacht und auch im Sommer
der Lehrer starrte ihn an und wartete darauf, daß er sich anpassen würde. Wir warteten immer darauf, daß er Billy aus seiner Bank zerrte, aber das tat er nie. Ich glaube, der Lehrer bewunderte ihn wegen seiner Eigenständigkeit. Ich bewunderte ihn auch und hätte gern genausoviel Mut gehabt wie er. Aber den brachte ich nie auf.
Die Jungen in dieser irischen Schule hänselten mich wegen des amerikanischen Akzents, den ich aus New York mitgebracht hatte. Du kannst nicht weggehen und deinen Akzent zurücklassen, und wenn sie dich wegen deines Akzents aufziehen, weißt du nicht, was du tun oder denken oder fühlen sollst, bis sie anfangen, dich herumzuschubsen, und du merkst, daß sie nur darauf warten, daß du ausrastest. Dann hast du vierzig Gassenjungen aus Limerick gegen dich, kannst aber nicht weglaufen, denn dann wärst du für alle Zeiten als Memme oder Muttersöhnchen abgestempelt. Sie verspotten dich als Gangster oder Rothaut, und du prügelst dich und prügelst dich, bis du eins auf die Nase bekommst und das Blut dir übers ganze Hemd spritzt, und dann kriegst du furchtbaren Ärger mit deiner Mutter, die von ihrem
Stuhl am Kamin aufsteht und dir eine saftige Kopfnuß verpaßt, weil du dich überhaupt mit anderen prügelst. Es hat keinen Sinn, deiner Mutter zu erklären, daß das ganze Blut nur deswegen da ist, weil du deinen amerikanischen Akzent verteidigt hast, den du ohne sie gar nicht hättest. Nein, wird sie sagen, jetzt muß sie Wasser aufsetzen und dein blutiges Hemd auswaschen und zusehen, daß es am Feuer trocknet, damit du es morgen wieder in die Schule anziehen kannst. Sie sagt nichts über den amerikanischen Akzent, ohne den du diese Schwierigkeiten gar nicht hättest. Aber es ist alles halb so schlimm, denn Gott sei Dank verschwindet dieser Akzent in ein paar Monaten und wird durch einen Limerick-Akzent ersetzt, auf den jeder außer meinem Vater stolz wäre.
Es lag an meinem Vater, daß meine Schwierigkeiten nicht aufhörten. Man möchte meinen, mein perfekter Limerick-Akzent würde die Jungen davon abhalten, mich zu quälen, aber nein, sie fangen an, den nordirischen Akzent meines Vaters nachzuäffen, und sagen, typisch Protestant, und jetzt muß ich ihn verteidigen, und wieder komme ich mit blutigem Hemd nach Hause, und meine Mutter schreit, wenn sie das Hemd noch ein einziges Mal waschen muß, wird es ihr bestimmt in den Händen zerfallen. Am schlimmsten war es, wenn das Hemd bis zum nächsten Morgen nicht trocknete und ich es feucht anziehen und so in die Schule gehen mußte. Wenn ich dann heimkam, war meine Nase verstopft, und wieder zitterte ich am ganzen Körper vor Feuchtigkeit, doch diesmal, weil ich schwitzte. Meine Mutter war untröstlich und weinte, weil sie so herzlos gewesen war, mich in dem feuchten Hemd zur Schule zu schicken, das von den vielen Prügeleien immer röter und röter wurde. Sie packte mich ins Bett und begrub mich unter alten Mänteln und der Decke von ihrem eigenen Bett, bis das Zittern aufhörte, und im Halbschlaf hörte ich sie unten zu meinem Vater sagen, es sei ein trauriger Tag gewesen, als sie von Brooklyn wegzogen, nur um ihre Kinder auf den Schulhöfen von Limerick quälen zu lassen.
Nach zwei Tagen im Bett ging ich wieder in die Schule. Das Hemd war jetzt blaßrosa. Die Jungen sagten, Rosa sei eine Farbe für Memmen, und ob ich ein Mädchen sei.
Billy Campbell legte sich mit dem Größten unter ihnen an. Laß den Yank in Ruhe, sagte er.
Ach, sagte der große Junge. Und wenn nicht?
Dann kriegst du’s mit mir zu tun, sagte Billy, und der große Junge trollte sich ans andere Ende des Schulhofs. Billy verstand mein Problem, weil sein Vater aus Dublin war und die anderen ihn manchmal sogar deswegen hänselten.
Ich erzählte meinen Schülern von Billy, weil er den Mut besaß, den ich bewunderte. Einer von ihnen meldete sich und meinte, es sei schon recht, daß ich Billy bewunderte, aber wegen meinem amerikanischen Akzent hätte ich mich doch mit einer ganzen Gruppe angelegt, und dazu könne ich mir doch gratulieren. Ich sagte nein, ich hätte nur getan, was ich tun mußte, weil mich in dieser irischen Schule alle gehänselt und herumgeschubst hätten, aber dieser Fünfzehnjährige blieb dabei, daß man auch mal auf sich selbst stolz sein dürfe, wenn auch nicht zu sehr, denn das wäre dann Angeberei. Okay, erwiderte ich, ich bin stolz darauf, daß ich mich gewehrt habe, aber ich war nicht so mutig wie Billy, der nicht für sich selbst, sondern für
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