Tag und Nacht und auch im Sommer
Paddy ein Essen, von dem man nur träumen konnte: Schweinskopf
mit Kartoffeln, Kohl und Mostrich, literweise Limonade zum Hinunterspülen, gefolgt von Eiskrem, Keksen und Tee mit reichlich Milch und Zucker, und wenn man wollte, konnte man eine Pause einlegen und dann noch mehr davon vertilgen, und die Mutter regte sich kein bißchen auf, daß man solchen Appetit hatte, denn es war genug für alle da, und dort, wo es herkam, gab es noch mehr davon.
Der Lehrer sagte, Clohessy, du bist ein Poet des Gaumens. Keiner wußte, was Gaumen bedeutet, bis wir zu dritt um die Ecke in die Andrew-Carnegie-Bibliothek gingen, um die Bibliothekarin zu fragen, ob wir das Wort in dem großen Wörterbuch neben ihrem Schreibtisch nachschlagen dürften. Sie fragte, wozu wollt ihr wissen, was Gaumen bedeutet?, und als wir sagten, das ist das, wo Paddy Clohessy ein Poet von ist, sagte sie, unser Lehrer sei wohl nicht ganz bei Trost. Paddy ließ nicht locker. Er fragte sie, was ein Gaumen ist, und als sie sagte, der Sitz der Geschmacksempfindung, sah er sehr zufrieden aus und machte Schnalzgeräusche mit der Zunge. Das tat er auch noch auf der Straße, bis Billy Campbell ihn bat, damit aufzuhören, weil er davon Hunger bekam.
Wir bekannten uns dazu, alle Zehn Gebote übertreten zu haben. Wenn man sagte, man habe Ehebruch begangen oder die Frau seines Nächsten begehrt, war dem Lehrer klar, daß man nicht wußte, wovon man redete. Er sagte nur, übernimm dich nicht, mein Sohn, und wandte sich dem nächsten reuigen Sünder zu.
Nach der Erstkommunion setzten wir die Gewissenserforschung für das nächste Sakrament fort, die Firmung. Der Priester sagte, Gewissenserforschung und Beichte würden uns vor der Hölle bewahren. Er hieß Hochwürden White, und wir fanden ihn interessant, weil einer der Jungen gesagt hatte, er habe überhaupt nie Priester werden wollen. Seine Mutter habe ihn dazu gezwungen. Wir glaubten dem Jungen nicht, aber er kannte angeblich eines der Hausmädchen des Priesters, und von der
wollte er wissen, daß Hochwürden White sich immer beim Abendessen betrank und zu den anderen Priestern sagte, sein großer Traum sei es gewesen, später mal, wenn er groß wäre, den Bus zwischen Limerick und Galway zu fahren, aber seine Mutter habe es ihm nicht erlaubt. Es war seltsam, von einem Mann examiniert zu werden, der Priester geworden war, weil seine Mutter ihn dazu gezwungen hatte. Ich fragte mich, ob er auch an seinen Traum vom Busfahrer dachte, wenn er vor dem Altar stand und die Messe las. Seltsam war auch, sich einen Priester betrunken vorzustellen, denn schließlich weiß jeder, daß die das nicht dürfen. Wenn ich einen Bus vorbeifahren sah, stellte ich mir immer vor, wie er zufrieden lächelnd da oben saß und kein Priesterkragen ihm die Luft abschnürte.
Wird die Gewissenserforschung zur Gewohnheit, tut man sich schwer, wieder damit aufzuhören, vor allem als katholischer irischer Junge. Wenn man etwas Schlechtes tut, schaut man in seine Seele, und da schwären die Sünden vor sich hin. Alles ist entweder eine Sünde oder keine Sünde, und diese Vorstellung kriegt man womöglich nie mehr aus dem Kopf. Wird man dann erwachsen und entfernt sich allmählich von der Kirche, ist Mea culpa ein leises Flüstern in der Vergangenheit. Es ist noch da, aber man ist älter und fürchtet sich nicht mehr so leicht.
Befindet man sich im Zustand der Gnade, hat die Seele eine blendend weiße Oberfläche, aber die Sünden bilden Abszesse, die eitern und stinken. Man versucht, sich mit Mea culpa zu retten, den einzigen lateinischen Worten, die einem selbst oder Gott irgend etwas bedeuten.
Könnte ich in mein siebenundzwanzigstes Jahr zurück, mein erstes Jahr als Lehrer, dann würde ich mich als erstes zu einem Steak, einer gebackenen Kartoffel und einem Glas Stout einladen. Und ich würde mir eine Standpauke halten. Um Himmels willen, Junge, reiß dich am Riemen. Nimm deine jämmerlichen knochigen Schultern zurück. Nuschel nicht so. Sprich laut und deutlich. Mach dich nicht ständig selbst runter, das erledigen
schon die anderen. Du willst Lehrer werden, und das ist kein leichtes Leben. Ich weiß es. Ich hab’s gemacht. Als Polizist wärst du besser dran. Da hättest du wenigstens eine Waffe oder einen Knüppel, um dich wehren zu können. Ein Lehrer hat nichts außer seinem Mund. Wenn dir der Beruf nicht ans Herz wächst, schmorst du bald in der Hölle.
Irgend jemand hätte zu mir sagen müssen, he, Mac, dein Leben, Mac, dreißig Jahre
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