Tag und Nacht und auch im Sommer
lang, Mac, nichts als Schule, Schule, Schule, Kinder, Kinder, Kinder, Aufgaben, Aufgaben, Aufgaben, Lesen und Korrigieren, Lesen und Korrigieren, Berge von Schülerarbeiten, die sich auftürmen, in der Schule, zu Hause, tage-, nächtelang nur lesen, Geschichten, Gedichte, Tagebücher, Abschiedsbriefe, Abhandlungen, Entschuldigungen, Theaterstücke, Essays, sogar Romane, die Arbeiten von Tausenden – Tausenden – New Yorker Teenagern im Lauf der Jahre, ein paar hundert arbeitenden Männern und Frauen, und du wirst nie die Zeit haben, Graham Greene oder Dashiell Hammett zu lesen, F. Scott Fitzgerald oder den guten alten P. G. Wodehouse, oder deinen Hausgott, Mr. Jonathan Swift. Du wirst blind werden, weil du Joey und Sandra, Tony und Michelle lesen mußt, kleine Seelenqualen und Leidenschaften und Verzückungen. Bergeweise Kinderkram, Mac. Wenn man deinen Kopf aufmachen würde, fände man tausend Teenager, die in deinem Gehirn herumturnen. Jedes Jahr im Juni machen sie ihren Abschluß, wachsen heran, arbeiten und ziehen weiter. Sie werden allesamt Kinder kriegen, Mac, die eines Tages zu dir kommen werden, um Englisch zu lernen, und du hast wieder ein Schuljahr voller Joeys und Sandras, Tonys und Michelles vor dir, und mit der Zeit wirst du dich nur noch eins fragen: Soll das wirklich schon alles sein? Soll das für zwanzig, dreißig Jahre meine Welt sein? Denk dran, wenn das deine Welt ist, bist du einer von ihnen, ein Teenager. Du lebst in zwei Welten. Du bist tagein, tagaus mit ihnen zusammen, und du wirst gar nicht merken, Mac, was das für dich bedeutet. Teenager auf ewig. Der Juni kommt, und dann
heißt es, tschüs, Herr Lehrer, war nett, Sie kennenzulernen, im September kommt meine Schwester in Ihre Klasse. Aber da ist noch etwas anderes, Mac. In jedem Klassenzimmer passiert ständig irgendwas. Sie halten dich auf Trab. Sie halten dich frisch. Du wirst nie alt werden, aber es besteht die Gefahr, daß du für immer das Gemüt eines Halbwüchsigen behältst. Das ist ein echtes Problem, Mac. Du gewöhnst dich daran, mit diesen Kindern auf ihrem Niveau zu reden. Wenn du dann am Tresen stehst und dir ein Bier genehmigst, hast du vergessen, wie du mit deinen Freunden reden müßtest, und sie werfen dir komische Blicke zu. Sie sehen dich an, als wärst du von einem anderen Planeten, und sie haben recht. Tag für Tag im Klassenzimmer, das bedeutet, daß du in einer anderen Welt bist, Mac.
Also, Mister, wie sind Sie überhaupt nach Amerika gekommen?
Ich erzähle ihnen, wie ich mit neunzehn Jahren in Amerika angekommen bin, daß nichts an mir, in mir, in meinem Kopf oder in meinem Koffer darauf hindeutete, daß ich in ein paar Jahren täglich vor fünf Klassen von New Yorker Teenagern stehen würde.
Lehrer? Ich hätte mir nie träumen lassen, daß ich es einmal so weit bringen würde im Leben.
Bis auf das Buch in meinem Koffer war alles, was ich anhatte oder vom Schiff trug, aus zweiter Hand. Auch in meinem Kopf war alles aus zweiter Hand: der Katholizismus, die traurige Geschichte Irlands, eine einzige Litanei von Leiden und Martyrien, mir eingehämmert von Priestern, Lehrern und Eltern, die es nicht besser wußten.
Der braune Anzug, den ich trug, stammte aus Nosey Parkers Pfandleihe in der Parnell Street in Limerick. Meine Mutter hatte darum gefeilscht. Nosey wollte vier Pfund für den Anzug haben, und sie fragte, wollen Sie mich aufs Kreuz legen, Mr. Parker?
Nee, ich leg Sie doch nich aufs Kreuz, sagte er. Den Anzug da hat ein Vetter vom Earl of Dunraven getragen, und alles, was mal vom Adel getragen wurde, hat einen höheren Wert.
Meine Mutter sagte, von ihr aus hätte ihn auch der Earl höchstpersönlich tragen können, wenn man bedenkt, was er und seine Sippe jemals für Irland getan hätten, mit ihren Schlössern und Dienern und ohne je einen Gedanken an die Not des Volkes zu verschwenden. Sie zahle ihm drei Pfund und keinen Penny mehr.
Eine Pfandleihe sei kein Ort für Patriotismus, blaffte Nosey, und sie blaffte zurück, wenn Patriotismus etwas wäre, was man ins Regal stellen könnte, würde er ihn auf Hochglanz polieren und für teuer Geld an die Armen verkaufen. Heilige Mutter Gottes, sagte er. Sie waren doch früher nicht so, Missis. Was ist denn in Sie gefahren?
Nichts sei in sie gefahren, sagte sie, aber das hier sei wie Custers letztes Gefecht, ihre letzte Chance. Das sei ihr Sohn Frank, auf dem Weg nach Amerika, und den könne sie so, wie er aussehe, nicht auf die Reise schicken, mit den
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