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Tage der Freuden

Tage der Freuden

Titel: Tage der Freuden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marcel Proust
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Wahrheit die Ehre, von dem nicht vorhandenen Schick der andern zu sprechen macht mehr Spaß, aber mehr Stoff gibt das Gespräch über den wirklich existenten Schick, es nährt die ausgehungerte Phantasie als richtig kräftiges Gericht.
    Ich habe Frauen gekannt, denen der Gedanke an die Liaisons einer Herzogin einen Schauer (mehr des Vergnügens als des Neides) verschaffte. Scheinbar gibt es in der Provinz Krämerfrauen, deren Hirn wie ein enger Käfig die brennenden Begierden nach Schick gefangen hält, als seien es wilde Tiere.
    Der Postbote bringt ihnen den »Gaulois«. Die neuen Moden sind in einer Sekunde überflogen. Das unruhvolle Herz der Provinzdame hat seinen Trost, und für eine Stunde sind ihre Blicke heiter geworden, denn in ihren weit gewordenen Augensternen will der Genuß brennen und die leuchtende Bewunderung.
VII
Gegen eine Snobdame
    Wenn Sie nicht zur Gesellschaft gehören und man erzählt Ihnen, daß Elianthe jung ist, schön, angebetet von ihren Freunden und verliebt, daß sie trotzdem ohne einen Augenblick der Ruhe um die Gunst gewisser Männer buhlt und sich die harte Abweisung seitens dieser Männer gefallen läßt, die oft häßlich, alt, stumpfsinnig sind, ferner, daß sie wie im Bagno arbeitet, um ihnen, die sie kaum kennt, zu gefallen, ferner, daß sie ihnen zuliebe verrückt wird, nüchtern wird, daß sie sich durch ungezählte Liebesdienste zu ihrer Freundin macht, wenn sie arm sind, zu ihrer Schützerin, durch sinnliche Hingabe zu ihrer Mätresse – dann werden Sie denken: Welch ein Verbrechen muß Elianthe begangen haben, und wer sind die strengen, furchteinflößenden Amtspersonen, die sie unter allen Umständen gewinnen muß, denen sie ihre Freunde opfert, ihre Liebesbeziehungen, ihre Geistesfreiheit, die Würde ihres Daseins, ihr Vermögen, ihre Zeit, die intimsten weiblichen Antipathien? Nein, Elianthe hat kein Verbrechen begangen. Die Zeugen, die sie zu bestechen sucht, haben sich nie um sie gekümmert und hätten den ruhig und klar fließenden Strom ihres heiteren Lebens friedlich weiterwallen lassen. Aber ein furchtbarer Fluch lastet über der Unseligen: sie ist eine Snobdame.
VIII
Für eine Snobdame
    Wohl ist Ihre Seele, wie Tolstoi sagt, ein dunkler Forst. Aber die Bäume sind von besonderer Art, es sind Stammbäume. Man nennt Sie eitel? Aber das Universum ist ja nicht ganz leer für Sie, solange es ein Wappenschild gibt. Auch dieses ist eine Weltschöpfung, die glänzend ist und der Symbole nicht ermangelt. Auch Sie haben Ihre Chimäre, und sie trägt Farben, wie man sie gemalt sieht auf heraldischen Feldern. Fehlt es Ihnen an Bildung? Sie sind durch die Schule des Tout-Paris, des Gotha, des High-life gegangen. Sie lesen die Schlachtberichte, welche die Namen der Altvorderen enthalten, die sich ausgezeichnet haben, und so finden Sie die Namen der Leute, die man zum Diner einladen muß, und auf dem Wege dieser Mnemotechnik ist Ihnen die Geschichte Frankreichs vertraut geworden. Daher eine gewisse Größe in Ihrem ehrgeizigen Traum, dem Sie Ihre Freiheit geopfert haben, Ihre Stunden der Muße und des Nachdenkens, Ihre Pflichten, Ihre Freundschaften, ja selbst die Liebe. In Ihrer Phantasie wird die Gestalt eines Ihrer neuen Freunde von dem großen Heer der Ahnenbilder begleitet und umgeben. In der allerältesten französischen Erde wurzeln die Stammbäume, die Sie mit so viel Liebe hegen und deren Früchte Sie alljährlich, mit so viel Lust pflücken. Ihr Traum baut die Gegenwart auf dem Fundament der Vergangenheit auf. Die Seele der Kreuzfahrer belebt die nichtssagenden Gesichter der zeitgenössischen Nachkommen, und wenn Sie fieberhaft die Namen auf den Visitenkarten immer wieder durchstudieren, so ist es deshalb, weil Sie bei jedem Namen fühlen, wie das prunkvolle alte Frankreich aufersteht, lebt und fast zu singen beginnt, als sei es ein Toter, auferstanden aus seinem wappengeschmückten Gruftgewölbe.
IX
Oranthe
    Sie haben sich heute nacht nicht zur Ruhe begeben und haben sich heute morgen noch nicht gewaschen?
    Muß das gesagt sein, Oranthe?
    Sie haben doch so viel Gaben mitbekommen. Glauben Sie nicht, daß dies genügt, um sich von der übrigen Welt zu unterscheiden; wozu dann noch dies triste Maskenspiel?
    Die Gläubiger halten Sie in Ihren Fängen, Ihre Frau wird von Ihrer Untreue zur Verzweiflung gebracht. Sollen Sie einen Abendanzug tragen, so heißt das für Sie soviel wie sich in eine Livree zwingen, und keine Macht auf Erden kann Sie dazu bringen, anders in

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