Tage der Freuden
Gesellschaft zu erscheinen als zerzaust. Sitzen Sie beim Diner, dann behalten Sie Ihre Handschuhe an, um zu zeigen, daß Sie nicht essen, und haben Sie nachts Fieber, lassen Sie Ihre Viktoriakutsche anspannen, um ins Bois zu fahren.
Lamartine können Sie nur in einer Schneenacht lesen, und Wagner zu hören macht Ihnen nur Spaß, wenn Sie dazu Räucherwerk anzünden.
Trotzdem sind Sie ein Ehrenmann, reich genug, um ohne Schulden auskommen zu können, glauben aber diese Ihrem Genie schuldig zu sein; Sie sind zärtlich genug, um zu wissen, welchen Schmerz Sie Ihrer Frau bereiten, aber Sie würden es kleinbürgerlich finden, ihr den zu ersparen. Sie fliehen nicht die Menschen, wissen ihnen zu gefallen, und auch ohne Ihre langen Locken würden Sie durch Ihren Geist hervorstechen. Sie haben guten Appetit, essen hinreichend vor dem Diner und versteifen sich darauf, dort nüchtern zu bleiben, keinen Bissen zu essen. Nur bei den nächtlichen Spaziergängen, zu denen Ihre Originalität Sie verpflichtet, holen Sie sich Ihre Krankheiten. Ihre Phantasie ist stark genug, um Schneefall und verbranntes Räucherwerk zu erleben ohne Winter und ohne Parfümverbrenner, Sie sind gebildet und musikalisch genug, um Lamartine und Wagner zu lieben im Geiste und in Wirklichkeit. Alles vergebens! In der Seele eines echten Künstlers hegen Sie die Vorurteile eines Kleinbürgers, und selbst davon haben Sie uns durch einen für uns unfruchtbaren Tausch nur die Schattenseiten zu zeigen.
X
Gegen die Freimütigkeit
Es ist nur klug, sich gleichmäßig vor Percy, Laurence und Augustin in acht zu nehmen. Laurence zitiert Verse, Percy hält Konferenzen ab, Augustin sagt Wahrheiten. »Eine offenherzige Person«, das ist der Titel, und sein Beruf heißt: »Der wahre Freund.«
Augustin tritt in einen Salon. Ich schildere ihn, wie er ist, halten Sie sich zurück, vergessen Sie nie, er ist Ihr wahrer Freund. Vergessen Sie nicht, ebenso wie Percy und Laurence kommt er nie ungestraft, er wird gar nicht abwarten, daß Sie ihn um seine Wahrheiten fragen, ebensowenig wie Laurence damit wartet, mit seinem Monolog loszulegen, oder Percy mit seinen Ansichten über Verlaine. Er duldet ebensowenig eine Verzögerung des Beginns als eine Unterbrechung, denn er ist frank und frei, ebenso wie Laurence den Conférencier macht nicht etwa Ihnen zuliebe, sondern für sich, zu seinem eigenen Spaß. Ihr Mißfallen würzt sicher sein Vergnügen, nicht anders als Ihre Aufmerksamkeit dem Herzen von Laurence wohltut. Aber im Notfalle würden sie darauf verzichten. Also drei unverschämte Schurken, denen man jede Ermutigung versagen müßte, da diese das Festmahl oder geradezu die Nahrung ihres Lasters ist. Aber sie haben, ganz im Gegenteil, ihr eigenes Publikum, das sie am Leben läßt, und das Publikum Augustins, des Wahrheitskünders, ist sogar sehr zahlreich. Dieses Publikum ist durch die banale Theaterpsychologie und die absurde Sprichwörterweisheit »Wer gut liebt, der züchtigt gut« ganz aus dem Häuschen gebracht. Nun ist es durch nichts dazu zu bringen, zuzugeben, daß Schmeichelei manchmal einem überströmend wohlwollenden Herzen entspringen kann, während Freimütigkeit bisweilen der Geifer einer üblen Laune ist. Was, Augustin soll seine schlechte Sinnesart an einem Freunde auslassen? Das Publikum stellt in seinem unklaren Geiste der Römerfestigkeit die Kriecherei der Byzantiner entgegen, und stolz ruft es glänzenden Blicks im Vollgefühl seines höheren, weil banalen und taktlosen Wesens aus: »Er ist der letzte, der gut von Ihnen spricht. Fürwahr, Hut ab! Welch ein aufrichtiger Freund!«
XI
Ein elegantes Milieu ist jenes, in dem die Meinung des einen sich nach der der anderen richtet. Ist die Meinung auf dem Widerspruch aufgebaut, haben wir untrüglich ein literarisches Milieu vor uns.
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Auch die Forderung des Wüstlings nach Jungfräulichkeit ist eine Form der ewigen Huldigung, in der die Liebe ihr Knie vor der Unschuld beugt.
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Sie gehen von den x zu den y, und die Dummheit, Gemeinheit, die miserable Situation der x liegt klar vor Augen. Die fabelhafte Einsicht der y flößt Ihnen Bewunderung ein, sie schämen sich jetzt dessen, daß Sie etwas für die x übriggehabt haben. Aber kehren Sie wieder zu denen zurück, dann erleben Sie es, daß diese die y fast mit denselben Mitteln in Stücke reißen. Man geht von einem zum andern, man geht von einem Schlachtfeld zum andern. Nur hört der eine nie die Flintenschüsse des andern, daher glaubt er, er allein
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