Tage der Freuden
sie, um sie zu verteidigen. Vergebens. Sie verlor sie. Und noch auf dem Sterbebette hatte sie es nicht aufgegeben, sie wiederzugewinnen. Augustin hatte mit ihrem Ekel gerechnet, aber nicht mit einer Macht, die, wird sie anfangs von der Eitelkeit genährt, allem obsiegt, dem Ekel, der Verachtung, selbst der Langeweile: es ist die Gewohnheit.
[August 1892]
Fragmente einer italienischen Komödie
»So wie der Krebs, der Widder, der Skorpion, die Waage ihren niedern Sinn verlieren als Zeichen des Tierkreises, so kann man die eigenen Fehler ohne Zorn in den Schattenbildern ferner Personen erkennen.«
Emerson
I
Die Geliebten des Fabrice
Die Geliebte Fabrices war klug und schön, das war ihm fürchterlich. »Sie sollte sich nicht so gut auskennen in ihrem Innenleben!« rief er unter Stöhnen. »Ihre Schönheit ist mir durch ihre Intelligenz verleidet. Könnte mich denn die Gioconda, wenn ich das Bild sehe, so tief ergreifen, wenn ich gleichzeitig die Dissertation eines Kritikers über sie hören müßte, und wäre sie noch so ausgezeichnet?«
Er verließ sie, nahm eine andere Geliebte, die schön war und dumm wie die Nacht. Aber sie hinderte ihn beständig, ihren Reiz zu genießen, denn sie war taktlos bis zur Schonungslosigkeit. Überdies erhob sie intellektuelle Ansprüche, las viel, ward pedantisch und wurde ebenso gehirnlich wie die erste, nur weniger anmutsvoll, und ihre Plumpheit streifte das Lächerliche. Er bat sie, sie möge den Mund halten. Aber auch wenn sie schwieg, spiegelten die schönen Züge ihre ganze Dummheit wider.
Endlich lernte er eine Frau kennen, deren Klugheit sich nur durch eine besonders subtile Grazie verriet, eine Frau, die nichts anderes wollte als nur leben und die sich hütete, in allzu wissenschaftlichen Unterhaltungen das bezaubernde Geheimnis ihrer Natur zu vergeuden.
Sanft war sie wie die anmutsvollen Tiere, die leichtfüßigen mit den tiefen Augen; und sah man sie, konnte sie verwirren wie beim Erwachen morgens das ergreifende, unfaßbare Erinnerungsbild unserer Träume. Aber sie hatte nicht das für ihn, was die andern zwei gehabt hatten: Liebe.
II
Die Freundinnen der Comtesse Myrto
Myrto, geistreich, hübsch, gütig, aber versessen auf Schick, zieht allen Freundinnen Parthenis vor, die Herzogin ist und brillanter als alle. Indessen findet Myrto Freude auch an Lalage, die ihr an Eleganz genau gleichkommt, und ist nicht unempfindlich für die Freundlichkeiten von Cleanthis, die im verborgenen blüht und keinen besonderen Ehrgeiz hat. Aber wen Myrto durchaus nicht leiden kann, das ist Doris; die gesellschaftliche Stellung von Doris ist etwas niedriger als die von Myrto, Doris legt auf Myrto Wert, wie es Myrto mit Parthenis tut, ihrer größeren Eleganz wegen.
Wenn wir nun bei Myrto diese Vorliebe und diese Antipathien wahrnehmen, so liegt der Grund erstens darin, daß die Herzogin Parthenis unserer Myrto Vorteile bietet, ferner darin, daß Parthenis, wenn sie Myrto liebt, es doch nur Myrtos selbst wegen tun kann, wohingegen Lalage ihrerseits sie nur egoistisch lieben kann, denn in jedem Falle sind beide auf derselben Stufe der Leiter, brauchen daher einander. Endlich ist es so, daß, wenn Myrto Lalage Freundlichkeiten erweisen soll, die sich unter Umständen uneigennützig verhalten kann, indem sie sich auf ihren eigenen Geschmack verläßt im Verstehen und Sympathisieren. Das gibt ihr einen gewissen Stolz, denn sie ist elegant genug, um im Notfall auf Eleganz zu verzichten. Andererseits appelliert Doris nur an Myrtos Luxusbedürfnis, kann es aber persönlich nicht befriedigen; sie kommt zu Myrto wie ein Wald- und Wiesenköter zu einem Fleischerhund, der die Knochen gezählt hat; sie möchte zu gern von ihren Herzoginnen verkosten, ihr gern eine fortnehmen, wenn’s ginge. Schließlich mißfällt sie, genau wie Myrto selbst, durch das Mißverhältnis zwischen ihrem wirklichen Rang und dem, den sie anstrebt, und so zeigt sie Myrto ihr eigenes Bild in ihrem Spiegel. Dieselbe Freundschaft, die Myrto für Parthenis übrig hat, erkennt sie unter außerordentlichem Mißvergnügen in den Gunstbezeigungen der Doris wieder. Lalage, selbst Cleanthis erinnern sie an ihre ehrgeizigen Träume, Parthenis war wenigstens im Begriff, diese zu verwirklichen: Doris hingegen spricht ihr nur von ihrer Kleinheit. Nun empfindet sie Doris gegenüber (allzu gereizt, als daß sie die amüsante Rolle der hohen Beschützerin spielen könnte) das, was ganz genau Parthenis ihr gegenüber empfinden
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