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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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schlaflosen Nacht gelben und
    faltigen Gesicht und seinem einem Schmutzfleck gleichenden Muttermal.
    Sie entledigte sich seiner nach wenigen Minuten. »Und jetzt, Mr. Flory, seien Sie mir nicht böse, aber ich muß wirklich -«
    Eher murmelnd sagte er: »Wollen Sie nicht wieder einmal mit mir herauskommen? Laufen, schießen - irgend etwas?«
    »Ich habe jetzt gerade so wenig Zeit! All meine Nachmittage sind ausgefüllt. Heute nachmittag reite ich aus. Mit Mr.
    Verrall«, setzte sie hinzu.
    Möglicherweise wollte sie ihn mit diesem Zusatz verletzen.
    Zum erstenmal hörte er nun von ihrer Freundschaft mit Verrall.
    Er konnte den toten, matten Ton des Neides nicht aus seiner Stimme verbannen, als er sagte:
    »Reiten Sie viel mit Verrall aus?«
    »Fast jeden Nachmittag. Er ist ein so wunderbarer Reiter!
    Und er hat absolut erstklassige Poloponies.«
    »Aha. Und ich habe natürlich keine Poloponies.«
    Es war seine erste Aussage, die einem ernsthaften Satz
    nahekam, und bewirkte nichts außer einer Kränkung. Dennoch antwortete sie ihm mit derselben leichten Heiterkeit wie vorher und führte ihn dann hinaus. Mrs. Lackersteen kam ins
    Wohnzimmer zurück, schnupperte und befahl sofort den
    Dienern, das stinkende Leopardenfell hinauszubringen und zu verbrennen.
    Flory verweilte vor seinem Gartentor und tat so, als füttere er die Tauben. Er konnte dem Schmerz nicht entsagen, Elizabeth und Verrall ausreiten zu sehen. Wie gemein, wie grausam hatte sie sich ihm gegenüber benommen! Es ist furchtbar, wenn
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    jemand nicht einmal den Anstand hat, sich zu streiten. Bald darauf ritt Verrall auf dem weißen Pony zu dem
    Lackersteenschen Haus, während ein Groom das
    kastanienbraune ritt, dann, nach einer Pause, kamen sie
    zusammen heraus, Verrall auf dem kastanienbraunen Pony und Elizabeth auf dem weißen, und trabten rasch den Hügel hinauf.
    Sie plauderten und lachten, ihre Schulter im Seidenhemd war der seinen sehr nah. Keiner sah zu Flory hin.
    Als sie im Dschungel verschwunden waren, lungerte Flory
    noch immer im Garten herum. Die Sonnenglut nahm ab und
    wurde gelb. Der Mali war dabei, die englischen Blumen auszugraben, die größtenteils, erschlagen von zuviel Sonne, eingegangen waren, und Springkraut, Hahnenkamm und noch
    mehr Zinnien zu pflanzen. Eine Stunde verging, und ein
    melancholischer, erdfarbener Inder kam die Auffahrt
    heraufgebummelt, in einem Lendentuch und lachsfarbenem
    Pagri, auf dem er einen Waschkorb balancierte. Er setzte seinen Korb ab und verbeugte sich vor Flory.
    »Wer bist du?«
    »Buch-Wallah, Sahib.«
    Der Buch- Wallah war ein umherziehender Bücher-Hausierer, der in Oberburma von Station zu Station wanderte. Sein Tausch gründete darauf, daß man ihm für jedes Buch in seinem Bündel vier Annas und irgendein anderes Buch gab. Allerdings nicht jedes beliebige Buch, denn der Buch-Wallah war zwar
    Analphabet, hatte aber gelernt, eine Bibel zu erkennen und zurückzuweisen.
    »Nein, Sahib«, sagte er dann klagend, »nein. Dieses Buch
    (das er jeweils mißbilligend in seinen flachen braunen Händen hin und her drehte), dieses Buch mit einem schwarzen Deckel und goldenen Buchstaben - das kann ich nicht nehmen. Ich weiß nicht, wie es kommt, aber alle Sahibs bieten mir dieses Buch an, und keiner will es nehmen. Was kann wohl in diesem schwarzen
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    Buch sein? Etwas Böses zweifellos.«
    »Zeig mal deinen Schund«, sagte Flory.
    Er kramte darin herum auf der Suche nach einem guten Krimi
    - Edgar Wallace oder Agatha Christie oder dergleichen; irgend etwas, um die tödliche Ruhelosigkeit zu stillen. Während er sich über die Bücher beugte, sah er, daß die beiden Inder ausrufend zum Rande des Dschungels hinüberzeigten.
    »Sieh da!« sagte der Mali.
    Die beiden Ponies kamen aus dem Dschungel, aber ohne
    Reiter. Sie kamen den Hügel heruntergetrabt mit der dummen schuldbewußten Miene eines Pferdes, das seinem Herrn
    fortgelaufen ist; die Steigbügel baumelten klirrend unter ihren Bäuchen.
    Flory stand da, achtlos eines der Bücher an die Brust
    drückend. Verrall und Elizabeth waren abgestiegen. Das war kein Unfall; aber beim besten Willen konnte man sich nicht vorstellen, daß Verrall vom Pferd fallen würde. Sie waren
    abgestiegen, und die Ponies waren davongelaufen.
    Sie waren abgestiegen - wozu? Ach, aber er wußte, wozu! Es war keine Frage des Verdachts ; er wußte es. Er konnte sehen, wie das Ganze ablief, in einer dieser bis ins einzelne perfekten Halluzinationen, so schändlich obszön, daß

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