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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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sie nicht zu ertragen sind. Er warf das Buch heftig herunter und ging auf das Haus zu; der Buch-Wallah blieb enttäuscht zurück. Die Diener hörten ihn drinnen hin- und hergehen, und bald rief er nach einer Flasche Whisky. Er trank einen Schluck, und es nützte ihm nichts. Dann füllte er ein Wasserglas dreiviertel voll, tat so viel Wasser dazu, daß es trinkbar war, und schüttete es herunter. Die ekelhafte, Übelkeit erregende Dosis war kaum seine Kehle
    heruntergeflossen, als er sie wiederholte. Er hatte dasselbe einmal vor Jahren im Lager getan, als er von Zahnweh geplagt wurde und der nächste Zahnarzt dreihundert Meilen weit weg war. Um sieben kam Ko S’la wie üblich herein, um zu sagen,
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    daß das Badewasser heiß sei. Flory lag auf einem der
    Liegestühle, ohne Jackett und das Hemd am Hals aufgerissen.
    »Ihr Bad, Thakin«, sagte Ko S’la.
    Flory antwortete nicht, und Ko S’la, der glaubte, daß er
    schliefe, berührte ihn am Arm. Flory war viel zu betrunken, um sich zu rühren. Die leere Flasche war über den Boden gerollt und hatte eine Spur von Whiskytropfen hinter sich gelassen. Ko S’la rief nach Ba Pe und nahm zungenschnalzend die Flasche auf.
    »Sieh dir nur das an! Er hat mehr als dreiviertel einer Flasche getrunken!«
    »Was? Wieder? Ich glaubte, er hätte das Trinken
    aufgegeben?«
    »Das ist diese verfluchte Frau, glaub ich. Nun müssen wir ihn vorsichtig tragen. Du nimmst seine Fersen, ich werde seinen Kopf nehmen. So ist’s richtig. Hoch mit ihm!«
    Sie trugen Flory ins andere Zimmer und legten ihn sanft aufs Bett.
    »Wird er wirklich diese ›Ingaleikma‹ heiraten?« fragte Ba Pe.
    »Weiß der Himmel. Zur Zeit ist sie die Geliebte des jungen Polizeioffiziers, hab ich gehört. Denen ihre Art ist nicht unsere Art. Ich glaube, ich weiß, was er heute abend haben will«, setzte er hinzu, während er Florys Hosenträger abknöpfte - denn Ko S’la beherrschte die für den Diener eines Junggesellen so
    notwendige Kunst, seinen Herrn auszuziehen, ohne ihn zu
    wecken.
    Die Diener nahmen diese Rückkehr zu
    Junggesellengewohnheiten mit Erleichterung wahr. Flory
    wachte gegen Mitternacht nackt in einem See von Schweiß auf.
    Sein Kopf fühlte sich an, als rollte ein großer, scharfkantiger Metallgegenstand darin hin und her. Das Moskitonetz war
    hochgeschlagen, und neben dem Bett saß eine junge Frau, die
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    ihn mit einem Strohfächer fächelte. Sie hatte ein angenehm negroides Gesicht, bronzegolden im Kerzenlicht. Sie gab sich als eine Prostituierte zu erkennen, die Ko S’la auf eigene Verantwortung für eine Gebühr von zehn Rupien bestellt hatte.
    Florys Kopf drohte zu platzen. »Um Gottes willen, bring mir was zu trinken«, sagte er schwach zu der Frau. Sie brachte Sodawasser, das Ko S’la in weiser Voraussicht kaltgestellt hatte, feuchtete ein Handtuch an und legte ihm eine nasse Kompresse um die Stirn. Sie war ein dickes, gutmütiges Geschöpf. Sie heiße Ma Sein Galay und verkaufe, wenn sie nicht ihr anderes
    Gewerbe ausübe, im Basar neben Li Yeiks Laden Reiskörbe.
    Florys Kopf wurde bald besser, und er bat um eine Zigarette; woraufhin Ma Sein Galay, nachdem sie die Zigarette geholt
    hatte, naiv fragte: »Soll ich mich jetzt ausziehen, Thakin?"
    Warum nicht? dachte er verschwommen. Er machte für sie
    Platz im Bett. Aber als er den vertrauten Geruch von Knoblauch und Kokosnußöl roch, weigerte sich etwas Schmerzhaftes in
    ihm, und den Kopf auf Ma Sein Galays fette Schulter gebettet, weinte er richtig, was er seit seinem fünfzehnten Lebensjahr nicht getan hatte.
    XX
    Am nächsten Morgen herrschte in Kyauktada große
    Aufregung, denn der Aufstand, von dem schon so lange
    gemunkelt wurde, war endlich ausgebrochen. Flory hörte
    zunächst nur einen vagen Bericht darüber. Er war ins Lager zurückgegangen, sobald er sich nach der betrunkenen Nacht
    marschfähig fühlt e, und erst mehrere Tage später erfuhr er die wahre Geschichte des Aufstandes durch einen langen,
    entrüsteten Brief von Dr. Veraswami.
    Der Briefstil des Doktors war eigenartig. Seine Syntax war unsicher, und er schaltete mit großen Buchstaben so freigebig wie ein Geistlicher des siebzehnten Jahrhunderts, während seine
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    Unterstreichungen es mit Königin Victoria aufnehmen konnten.
    Es waren acht Seiten seiner kleinen, aber ausladenden Schrift.
    Mein Lieber Freund (lautete der Brief), - Sie werden sehr bedauern zu hören, daß die RÄNKE DES KROKODILS
    herangereift sind. Der Aufstand - der SOGENANNTE

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