Tage in Burma
gegenwärtiger geworden, bis es jeden Augenblick vergiftete.
Er bummelte ein Stückchen in den Dschungel hinein und hieb mit seinem Dah nach den Schlingpflanzen. Seine Gliedmaßen fühlten sich schlaff und bleiern an. Er bemerkte eine wilde Vanillepflanze, die über einem Busch hing, und bückte sich, um an ihren schlanken, duftenden Schoten zu riechen. Der Duft weckte in ihm ein Gefühl von Schalheit und tödlicher
Langeweile. Allein, allein, eine Insel im Meer des Lebens! Der Schmerz war so groß, daß er mit der Faust an einen Baum
schlug, sich den Arm zerkratzte und zwei Knöchel aufriß. Er mußte zurück nach Kyauktada. Es war Wahnsinn, denn kaum
vierzehn Tage waren vergangen seit der Szene zwischen ihnen, und seine einzige Chance war, ihr Zeit zu lassen zum Vergessen.
Trotzdem, er mußte zurück. Er konnte nicht länger an diesem tödlichen Ort bleiben, allein mit seinen Gedanken in diesem endlosen Blätterwald.
Ihm kam ein glücklicher Gedanke. Er konnte Elizabeth das
Leopardenfell bringen, das für sie im Gefängnis gegerbt wurde.
Das wäre ein Vorwand, sie zu sehen, und wer mit Geschenken kommt, wird im allgemeinen angehört. Diesmal würde er sich nicht wortlos von ihr schneiden lassen. Er würde erklären, beschönigen, ihr klarmachen, daß sie ihn ungerecht behandelt hatte. Es war nicht recht, daß sie ihm Ma Hla May vorwarf, die er gerade ihretwegen hinausgeworfen hatte. Sicherlich würde sie ihm verzeihen, wenn sie den wahren Sachverhalt hörte? Und
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diesmal sollte sie ihn hören; er würde sie zwingen, ihn anzuhören, und wenn er sie dabei an den Armen festhalten
mußte.
Er ging noch am selben Abend zurück. Es war ein
Zwanzigmeilenmarsch auf ausge fahrenen Karrenwegen, aber
Flory beschloß, nachts zu marschieren, mit der Begründung, daß es kühler war. Die Diener hätten bei der Idee eines
Nachtmarsches fast gemeutert, und im allerletzten Augenblick brach der alte Sammy mit einem halbechten Anfall zusammen
und mußte mit Gin gestärkt werden, ehe man aufbrechen konnte.
Es war eine mondlose Nacht. Sie suchten sich ihren Weg bei Laternenlicht, in dem Flos Augen wie Smaragde glänzten und die der Ochsen wie Mondsteine. Als die Sonne aufgegangen
war, hielten die Diener an, um Holz zu sammeln und das
Frühstück zu bereiten, aber Flory trieb es fieberhaft nach Kyauktada, und er hastete weiter. Er empfand keine Müdigkeit.
Der Gedanke an das Leopardenfell hatte ihn mit übertriebenen Hoffnungen erfüllt. Er überquerte den schimmernden Fluß im Sampan und ging geradewegs zu Dr. Veraswamis Bungalow,
wo er gegen zehn ankam.
Der Doktor lud ihn zum Frühstück ein und führte ihn,
nachdem er die Frauen in ein passendes Versteck gescheucht hatte, in sein eigenes Badezimmer, so daß er sich waschen und rasieren konnte. Beim Frühstück war der Doktor sehr aufgeregt und voll von Anschuldigungen gegen das ›Krokodil‹; denn
anscheinend stand die Pseudorebellion kurz vor dem Ausbruch.
Erst nach dem Frühstück hatte Flory Gelegenheit, das
Leopardenfell zu erwähnen.
»Ach, übrigens, Doktor. Was ist mit dem Fell, das ich zum
Beizen ins Gefängnis geschickt habe? Ist es schon fertig?«
»Ach ja -« sagte der Doktor ein wenig bestürzt und rieb sich die Nase. Er ging ins Haus - sie frühstückten auf der Veranda, denn die Frau des Doktors hatte heftig dagegen protestiert, daß Flory ins Haus gebracht wurde - und kam nach einem Weilchen
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mit dem zu einem Bündel gerollten Fell zurück.
»Die Sache ist die -« begann er, während er es aufrollte.
»Oh, Doktor!«
Das Fell war völlig ruiniert. Es war steif wie Pappe, das Leder gesprungen und das Fell verfärbt und an manchen Stellen
abgescheuert. Außerdem stank es fürchterlich; man hatte daraus ein Stück Abfall gemacht.
»Oh, Doktor! Was haben Sie damit gemacht! Wie zum Teufel
ist das zugegangen?«
»Es tut mir leid, mein Freund! Ich wollte mich gerade
entschuldigen. Wir haben unser Bestes getan. Es ist jetzt
niemand im Gefängnis, der was vom Gerben versteht.«
»Aber verdammt, dieser Sträfling hat sie doch immer so
schön gebeizt!«
»Ach ja. Aber er ist diese drei Wochen von uns fort, leider.«
»Fort? Ich dachte, er hätte sieben Jahre?«
»Was? Haben Sie nicht gehört, mein Freund? Ich dachte, Sie wissen, wer das war, der die Felle gebeizt hat. Es war Nga Shwe O.«
»Nga Shwe O?«
»Der Bandit, der mit U Po Kyins Hilfe geflüchtet ist.«
»Verdammt!«
Die Panne hatte ihn schrecklich entmutigt.
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