Tage in Burma
Geschichten über Elizabeth, bei denen Mr. Macgregor sich krümmte. Mrs.
Lackersteen als einer Verwandten kamen diese
Skandalgeschichten nicht zu Ohren, aber sie wurde nervös.
Jeden Abend, wenn Elizabeth vom Reiten nach Hause kam, trat sie ihr voller Hoffnung entgegen und erwartete ein »Ach, Tante!
Stell dir vor!« -- und dann die herrliche Nachricht. Aber die Nachricht kam nie, und wie sorgfältig sie auch Elizabeths
Gesicht beobachtete, es ließ sich nichts erraten.
Als drei Wochen verstrichen waren, wurde Mrs. Lackersteen
gereizt und schließlich etwas ungehalten. Der Gedanke an ihren Gatten, allein - oder vielmehr nicht allein - in seinem Lager,
-264-
beunruhigte sie. Schließlich hatte sie ihn ins Lager geschickt, um Elizabeth ihre Chance bei Verrall zu lassen (nicht daß Mrs.
Lackersteen es so ordinär ausgedrückt hätte). Eines Abends begann sie, in ihrer versteckten Art, Elizabeth zu belehren und zu drängen. Das Gespräch bestand aus einem Monolog von
Seufzern mit sehr langen Pausen - denn Elizabeth antwortete überhaupt nicht.
Mrs. Lackersteen begann mit einigen allgemeinen
Bemerkungen bezüglich einer Illustration im Tatler über diese leichten modernen Mädchen, die in Strandanzügen und dergleichen herumliefen und sich für die Männer so schrecklich billig machten. Ein Mädchen, sagte Mrs. Lackersteen, sollte sich bei einem Mann nie zu billig machen; sie sollte sich - aber das Gegenteil von ›billig‹ war ja ›teuer‹, und das klang doch nicht ganz passend, und so änderte Mrs. Lackersteen ihren Kurs. Sie erzählte Elizabeth von einem Brief, den sie aus der Heimat bekommen hatte mit Neuigkeiten über dieses arme, arme liebe Mädchen, das eine Weile in Burma gewesen war und so töricht versäumt hatte, sich zu verheiraten. Seine Leiden waren wirklich herzzerreißend gewesen, und daraus konnte man ersehen, wie froh ein Mädchen sein sollte, irgend jemanden zu heiraten, buchstäblich irgend jemanden. Wie es schien, hatte das arme, arme liebe Mädchen seine Stellung verloren und war lange Zeit so gut wie am Verhungern gewesen, und jetzt hatte es tatsächlich eine Stellung als gewöhnliches Küchenmädchen
unter einer gräßlichen, ordinären Köchin, die sie ga nz empörend tyrannisierte. Und in der Küche wimmelte es von
Küchenschaben einfach unglaublich! Fand Elizabeth das nicht auch absolut furchtbar? Küchenschaben!
Mrs. Lackersteen schwieg eine Weile, um die Küchenschaben
wirken zu lassen, dann fügte sie hinzu:
»Zu schade, daß Mr. Verrall uns zu Anfang der Regenzeit
verlassen wird. Kyauktada wird mir ganz leer ohne ihn
vorkommen!«
-265-
»Wann beginnt die Regenzeit für gewöhnlich?« fragte
Elizabeth so gleichgültig, wie sie es fertigbrachte.
»Hier oben ungefähr Anfang Juni. Nur eine bis zwei Wochen
bis dahin ... Mein Liebes, es kommt dir vielleicht albern vor, daß ich es wieder erwähne, aber ich kann den Gedanken an das
arme, arme liebe Mädchen in der Küche zwischen den
Küchenschaben nicht aus dem Kopf kriegen!«
Die Küchenschaben traten im Verlauf des übrigen Abends
wiederholt in Mrs. Lackersteens Gespräch auf. Erst am
folgenden Tag bemerkte sie in einem Ton beiläufigen Klatsches:
Ȇbrigens glaube ich kommt Flory Anfang Juni wieder nach
Kyauktada. Er sagte, er wolle zur Generalversammlung des
Clubs hier sein. Vielleicht könnten wir ihn irgendwann mal zum Dinner einladen.«
Es war das erste Mal, daß eine der beiden Damen Flory
erwähnte, seit er Elizabeth das Leopardenfell gebracht hatte.
Nachdem sie ihn mehrere Wochen buchstäblich vergessen
hatten, war er jetzt als deprimierende Notlösung in beider Gedanken wieder aufgetaucht.
Drei Tage später schickte Mrs. Lackersteen ihrem Mann eine Nachricht, er möge nach Kyauktada zurückkommen. Er war
jetzt lange genug im Lager gewesen, um sich eine kurze Zeit im Quartier verdient zu haben. Er kam zurück, rosiger denn je -
Sonnenbrand, erklärte er - und mit derart zitternden Händen, daß er sich kaum eine Zigarette anzünden konnte.
Nichtsdestoweniger feierte er den Abend seiner Rückkehr,
indem er Mrs. Lackersteen aus dem Haus hinausmanövrierte, in Elizabeths Schlafzimmer drang und einen beschwingten
Versuch unternahm, sie zu vergewaltigen, sie zu schänden.
Während dieser ganzen Zeit bereitete sich, ohne daß irgend jemand von Bedeutung etwas davon wußte, ein weiterer Aufruhr vor. Der Weiksa (der jetzt weit weg war und bei harmlosen Bauern in Martaban mit dem Stein der Weisen
Weitere Kostenlose Bücher