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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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Doktor, Sie wissen doch, was ich Ihnen sagen
    wollte?«
    »Ich? Nein.«
    »Doch, Sie wissen es. Es geht um diesen gemeinen Streich,
    den ich Ihnen vorige Woche gespielt habe. Als Ellis im Club diese Bekanntmachung angeschlagen hat und ich mit
    unterzeichnet habe. Sie müssen davon gehört haben. Ich möchte versuchen, Ihnen zu erklären ...«
    »Nein, nein, mein Freund, nein, nein!« Der Doktor war so
    bekümmert, daß er über die Veranda lief und Flory beim Arm ergriff. »Sie werden nichts erklären! Bitte, erwähnen Sie es nie wieder! Ich verstehe vollkommen - ganz und gar.«
    »Nein, Sie verstehen nicht. Sie können nicht. Sie können sich nicht vorstellen, was für eine Art Druck ausgeübt wird. Ich wurde nicht gezwungen, die Bekanntmachung zu unterzeichnen.
    Nichts wäre geschehen, wenn ich mich geweigert hätte. Es gibt kein Gesetz, das uns vorschreibt, Orientalen gemein zu
    behandeln - ganz im Gegenteil. Aber - es ist einfach so, daß man sich nicht traut, für einen Orientalen gegen alle anderen
    einzustehen. Es geht einfach nicht. Wenn ich mich gegen die Unterschrift gewehrt hätte, wäre ich im Club für ein bis zwei Wochen in Ungnade gefallen. So habe ich mich davor gedrückt, wie üblich.«
    »Bitte, Mr. Flory, bitte! Sie bringen mich wirklich in
    Verlegenheit, wenn Sie fortfahren. Als ob ich nicht volle
    Nachsicht für Ihre Situation hätte!«
    -171-
    »Sie wissen ja, unser Motto ist ›In Indien mit den Engländern heulen.‹«
    »Natürlich, natürlich. Und ein sehr nobles Motto.
    ›Zusammenhängen‹, wie Sie es nennen. Das ist das Geheimnis Ihrer Überlege nheit über uns Orientalen.«
    »Nun, es hat nicht viel Zweck zu sagen, daß es einem leid tut.
    Aber eigentlich bin ich hergekommen, um zu sagen, daß es nicht wieder vorkommen wird. Tatsächlich ...«
    »Also, Mr. Flory, ich wäre Ihnen dankbar, wenn Sie nichts
    mehr zu diesem Thema sagen würden. Es ist alles begraben und vergessen. Bitte, trinken Sie Ihr Bier aus, bevor es so heiß wird wie Tee. Außerdem muß ich Ihnen was sagen. Sie haben noch
    nicht nach meinen neuesten Nachrichten gefragt.«
    »Ach ja, Ihre Nachrichten. Was haben Sie übrigens für
    Nachrichten? Wie ist in der letzten Zeit alles gegangen? Wie geht’s Mamma Britannia? Noch immer moribund?«
    »Ach ja, sehr schlecht, sehr schlecht! Aber nicht so schlecht wie mir. Ich bin in Schwierigkeiten, mein Freund.«
    »Was? Wieder U Po Kyin? Hat er Sie wieder verleumdet?«
    »Ja, und wie! Diesmal ist es - ja, es ist etwas Teuflisches.
    Mein Freund, Sie haben von diesem Aufstand gehört, der in
    unserem Distrikt kurz vor dem Ausbruch steht?«
    »Ich habe viel Gerede gehört. Westfield war dort, um sie
    abzuschlachten, aber wie ich höre, kann er keine Aufständischen finden. Nur die üblichen Aufmucker, die ihre Steuern nicht zahlen wollen.«
    »Ach ja. Diese elenden Idioten! Wissen Sie, wie hoch die
    Steuer ist, die die meisten von ihnen nicht za hlen wollen? Fünf Rupien! Sie werden es bald satt haben und bezahlen. Wir haben dieses Theater jedes Jahr. Aber was den Aufstand betrifft - den sogenannten Aufstand, Mr. Flory -, so möchte ich Ihnen sagen, daß mehr daran ist, als man auf den ersten Blick sieht.«
    -172-
    »So? Was denn?«
    Zu Florys Überraschung machte der Doktor eine so heftige
    Bewegung der Wut, daß er den größten Teil seines Biers
    verschüttete. Er stellte das Glas auf die Verandabrüstung, dann brach es aus ihm heraus:
    »Es ist wieder U Po Kyin! Dieser unsagbare Schuft! Dieses
    Krokodil ohne jegliches natürliche Gefühl! Dieser - dieser ...«
    »Nur weiter. ›Dieses aufgequollene, wassersüchtige Paket,
    dieses Faß von Gemeinheiten ...‹ nur weiter. Was hat es jetzt wieder angestellt?«
    »Eine Schurkerei ohnegleichen« - und nun beschrieb der
    Doktor in kurzen Zügen den Plan einer Scheinrebellion, ähnlich wie U Po Kyin ihn Ma Kin erklärt hatte. Das einzige, was ihm unbekannt war, war U Po Kyins Absicht, sich in den
    Europäischen Club wählen zu lassen. Man konnte von dem
    Gesicht des Doktors nicht direkt sagen, daß es errötete, aber es wurde vor Wut um einige Nuancen schwärzer. Flory war so
    erstaunt, daß er unbeweglich stehenblieb.
    »Dieser heimtückische alte Teufel! Wer hätte gedacht, daß er dazu fähig wäre? Aber wie haben Sie das alles herausgekriegt?«
    »Ach, ich habe noch ein paar Freunde. Aber sehen Sie jetzt, mein Freund, wie er mich ruinieren will? Schon hat er mich rechts und links verleumdet. Wenn dieser alberne Aufstand
    ausbricht,

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