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Tage in Burma

Tage in Burma

Titel: Tage in Burma Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George Orwell
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in
    Bewegung setzen, um meine Wahl zu verhindern. Wenn Sie
    eine schwache Stelle haben, passen Sie auf, mein Freund. Er wird sie herausfinden. Er trifft immer die schwächste Stelle.«
    »Wie das Krokodil«, schlug Flory vor.
    »Wie das Krokodil«, stimmte der Doktor düster zu. »Aber
    ach, mein Freund, wie erfreulich für mich, wenn ich Mitglied Ihres europäischen Clubs werden sollte! Welche Ehre, Kollege europäischer Gentlemen zu sein! Aber da ist noch etwas
    anderes, Mr. Flory, was ich vorher nicht gern erwähnen wollte.
    Nämlich - ich hoffe, das ist eindeutig klar - daß ich nicht die Absicht habe, von dem Club in irgendeiner Weise Gebrauch zu machen. Mitgliedschaft ist alles. Auch wenn ich gewählt würde, würde ich mir natürlich nie herausnehmen, in den Club zu
    gehen.«
    »Nicht in den Club zu gehen?«
    »Nein, nein! Da sei Gott davor, daß ich den europäischen
    Gentlemen meine Gesellschaft auf zwingen würde! Ich würde
    einfach meinen Beitrag bezahlen. Das ist für mich schon ein sehr hoher Vorzug. Sie verstehen das sicher?«
    »Vollkommen, Doktor, vollkommen.«
    Flory konnte sich des Lachens nicht erwehren, als er den
    Hügel hinaufging. Er war nun endgültig verpflichtet, die Wahl des Doktors vorzuschlagen. Und es würde so einen Krach
    geben, wenn die anderen davon hörten - oh, einen mörderischen Krach! Aber das Erstaunliche war, daß er darüber nur lachen mußte. Die Aussicht, die ihn vor einem Monat erschreckt hätte, wirkte jetzt fast erheiternd.
    Warum? Und warum hatte er überhaupt dieses Versprechen
    gegeben? Es war etwas Kleines, ein kleines Risiko für ihn - es hatte nichts Heroisches an sich -, und doch sah es ihm nicht
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    ähnlich. Warum hatte er sich nach all diesen Jahren - den vorsichtigen Pukka-Sahib-Jahren - entschlossen, so plötzlich gegen alle Regeln zu verstoßen?
    Er wußte, warum. Es war, weil Elizabeth in sein Leben
    getreten war und dieses so verändert und erneuert ha tte, daß all die schmutzigen, elenden Jahre nicht gewesen zu sein schienen.
    Ihre Anwesenheit hatte ihn auf eine andere Bahn verwiesen. Sie hatte ihm die Luft von England mitgebracht - dem lieben
    England, wo die Gedanken frei sind und man nicht auf ewig
    verdammt ist, zur Erbauung der niederen Rassen den danse du pukka sahib zu tanzen. Wie hab ich nur in letzter Zeit gelebt?
    dachte er. Allein durch ihr Dasein hatte sie es ihm möglich, sogar natürlich gemacht, anständig zu handeln.
    Wie hab ich nur in letzter Zeit gelebt? dachte er wieder, als er durch das Gartentor ging. Er war überglücklich. Denn er hatte wahrgenommen, daß die Frommen zu Recht sagen, daß es
    Rettung gibt und man ein neues Leben anfangen kann. Er ging den Pfad hinauf, und ihm schien, daß sein Haus, seine Blumen, seine Diener, das ganze Leben, das vor so kurzer Zeit von
    Langeweile und Heimweh durchtränkt gewesen war, irgendwie
    neu, bedeutsam, unerschöpflich schön geworden war. Wie schön konnte alles sein, wenn man nur jemanden hatte, mit dem man es teilen konnte! Wie konnte man dieses Land lieben, wenn man nur nicht allein war! Nero war draußen auf dem Pfad, der Sonne trotzend wegen ein paar Reiskörnchen, die der Mali fallen gelassen hatte, als er den Ziegen ihr Futter brachte. Flo sprang ihn heche lnd an, und Nero sprang flügelschlagend in die Luft und landete auf Florys Schulter. Flory ging, den kleinen roten Hahn in den Armen, ins Haus und streichelte seine seidige
    Halskrause und die glatten, rautenförmigen Federn seines
    Rückens.
    Er hatte die Veranda noch nicht betreten, als er schon wußte, daß Ma Hla May im Haus war. Es war nicht notwendig, daß Ko S’la eilig mit einer ominösen Miene herauskam. Flory hatte
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    ihren Duft nach Sandelholz, Knoblauch, Kokosnußöl und
    Jasmin gerochen. Er warf Nero über die Verandabrüstung.
    »Die Frau ist zurückgekommen«, sagte Ko S’la.
    Flory war sehr blaß geworden. Wenn er blaß wurde, machte
    das Muttermal ihn abscheulich häßlich. Ein Stich wie von einer Eisklinge hatte sich durch seine Eingeweide gebohrt. Sie stand mit gesenktem Gesicht da und sah ihn von unten mit
    zusammengezogenen Brauen an.
    »Thakin«, sagte sie mit leiser Stimme, halb mürrisch, halb dringend.
    »Geh!« sagte Flory ärgerlich zu Ko S’la, indem er seine Angst und Wut an ihm ausließ.
    »Thakin«, sagte sie, »komm hier ins Schlafzimmer. Ich habe dir etwas zu sagen.«
    Er folgte ihr ins Schlafzimmer. In einer Woche - es war nur eine Woche - war ihr Äußeres außerordentlich

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