Tagebuch der Apokalypse 3: Roman (German Edition)
Wie grauenhaft. Hab noch nie einen gesehen, der so geladen war.«
»Ich auch nicht. Bleiben wir mal hier oben und schauen ’ne Weile zu. Vielleicht sind da unten noch mehr von denen. Ich mag keine Wadenbeißer. Verstehst du, was ich meine?«
»Yeah, versteh ich.«
Sie warteten. Die Minuten verstrichen langsam, ohne dass sich irgendwo etwas rührte. Nach Begegnungen dieser Art war es immer so. Der Mensch war nicht dazu da, Toten beim Herumgehen zuzuschauen. Der Mensch war allerdings auch nicht dazu da, sie zu bekämpfen. Posttraumatisches Belastungssyndrom war etwas, an dem heutzutage jeder litt, wie an einer gewöhnlichen Erkältung. Angefangen bei der Zweijährigen, die ihren Vater vor dem Eintreffen des Anti-Terror-Rettungsteams ihre Mama hatte fressen sehen, bis zu dem alten Mann, der seine Frau im Keller eingeschlossen hatte, weil er nicht den Mumm hatte, sie zu töten. Sie alle litten nun, falls sie den Mut aufbrachten, am Leben zu bleiben.
»Sieht sauber aus da unten«, sagte Billy zu Doc.
»Yeah, gehen wir mal runter. Wir haben noch ’ne halbe Stunde, dann müssen wir zum Hotel 23 zurück, oder die Sonne erwischt uns.«
Als sie den Hügel hinabgingen, fragte Billy: »Was würde deiner Meinung nach passieren, wenn wir es vor Sonnenaufgang nicht schaffen?«
»Ich glaube, man würde uns einmachen, und dann finden wir uns vielleicht genau dort wieder, wo ein Fünfhundert-Pfund-Atomsprengkopf runtergeht. Man würde uns im Hotel 23 dann kaum noch willkommen heißen.«
»Ich versteh noch immer nicht, warum diese Gruppierung den Flugzeugträger bombardieren wollte.«
»Ich habe keine Ahnung, Billy, aber ich weiß, dass sie uns am Tag wehtun können. Mach Disco und Hawse nicht nervös, aber ich bin mir nicht so sicher, ob sie uns nicht auch nachts auf den Pelz rücken können.«
»Yeah, das hab ich mir schon gedacht. Wollte es nur nicht sagen.«
Der Leichenberg vor dem Hügel war ein grässlicher Anblick, denn einige Gestalten zuckten noch. Die beiden Männer vermieden es sorgfältig, ihnen zu nahe zu kommen. Eine Kugel im Hirn bedeutete nicht immer, dass die Bedrohung nicht mehr existierte. Selbst nach einem Hirntrauma war der Beißreflex manchmal noch vorhanden. Das, was die Toten dazu trieb, wieder aufzustehen, gab nicht so einfach auf. Selbst vor abgetrennten Köpfen musste man noch sehr auf der Hut sein.
Doc zückte seine Klinge und zerschnitt die Schnüre, die den knatternden Fallschirm an seine Fracht banden. Er wurde vom Wind in die Nacht hinausgezogen und verschwand. Als er über den Hügel hinwegrauschte und an seinen tentakelartigen Fallschirmleinen baumelte, dachte Doc an eine Kriegsschiffqualle.
Die die Ladung zusammenhaltende Kunststoffhülle war mit weißen Buchstaben beschriftet, doch die Elemente und der Zahn der Zeit hatten sie unlesbar gemacht. Die Ladung lag auf der Seite und lehnte an einem keilförmigen Erdstück. Doc schlitzte die Hülle mit dem Messer auf. Schwarze Hartschalenbehälter kollerten zu Boden.
»Halt mir den Rücken frei, Billy, ich schau mir das mal genauer an.«
»Klar.«
Doc packte die Kisten nacheinander so vorsichtig aus, als könnten die Behälter Sprengfallen enthalten. Dabei wartete er darauf, dass Billys Waffe irgendwelche Geräusche von sich gab. Doch alles blieb still.
Die erste Kiste enthielt eine Waffe, die Docs Neugier weckte, denn sie war mit Schwarmlenkkanone beschriftet. Die Gebrauchsanleitung war leicht verständlich geschrieben und ähnelte den Piktogrammen, die Flugpassagieren verdeutlichten, wie man einen Sicherheitsgurt anlegt. Die Kanone war ein wenig unhandlich, was es erforderlich machte, dass der Schütze sie buchstäblich »anziehen« musste; eine Zeichnung zeigte einen Mann, an dem die Waffe mit einer Art Geschirr befestigt war.
Die anderen von Doc inspizierten Kisten enthielten das Zubehör, das man benötigte, um die Kanone zu befeuern. Laut Anleitung brauchte man dazu zwei unterschiedliche Flaschen. War die Kanone in Gang gebracht, sollte sie über eine Strecke von maximal fünfzehn Metern einen Schaumschwall ausstoßen. Die beiden Flüssigkeiten mischten sich, wenn sie an die Luft kamen, und der Schaum härtete sich innerhalb von zwei Sekunden. Doc las auch eine Warnung:
WARNUNG:
SCHAUMMISCHUNG HÄRTET SICH KOMPARABEL ZU HARTBETON
BEIM ZIELEN IST HÖCHSTE VORSICHT GEBOTEN
DIESE SCHAUMWAFFE IST TÖDLICH
Doc las die Anleitung weiter durch, bis er auf den Abschnitt stieß, der ihm sagte, wozu man die Waffe verwenden
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