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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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verkaufen wollen. Oder verschenken, ganz wie Sie möchten.« Sie lachte. Sie strahlte.
    Â»Wo kommst du her?« Er ging einen Schritt auf sie zu. Die Frau verzog das Gesicht und stöhnte unter dem Gewicht einer Kiste.
    Ich versuchte, mich an diese Begegnung zu erinnern.
    Â»Aus England. Aber ursprünglich aus Irland.« Margot merkte gar nicht mehr, dass es regnete. »Bin gerade erst angekommen. Ich arbeite in einem Buchladen.«
    Â»Wo in England?«
    Â»Nordosten.«
    Â»Aha.«
    Â»Könnten wir dann jetzt mal bitte weitermachen?« Seine zickige Freundin. Ach, halt doch die Klappe, sagte ich. Ihr Schutzengel funkelte mich böse an.
    Â»Ach, so. Ja.« Er schaltete wieder um. »Tut mir leid, ich ziehe heute um. Keine Zeit, in Erinnerungen zu schwelgen. Die Kiste kannst du haben.«
    Â»Sicher?«
    Â»Klar, so macht man das unter Landsmännern. Obwohl du ja eher eine Landsmännin bist.« Er nickte und ging wieder ins Haus.
    Mir tippte jemand auf die Schulter. Als ich mich umdrehte, stand ich Leon gegenüber, einem der anderen Engel vom St.Anthonys.
    Â»Leon!«, rief ich und nahm ihn in den Arm. »Wie geht es dir?« Ich ließ den Blick von ihm zum Schönling wandern. Dann fiel der Groschen.
    Der Schönling war Tom aus dem Kinderheim St.Anthonys. Tom, Verteidiger des Planeten Rusefog, das erste Kind, das ich in der Gruft beschützt hatte, der Junge, der mir – ich erinnerte mich vage – ein unsichtbares Gewehr gab.
    Â»Wie geht es dir?«, fragte Leon, aber ich war wie weggetreten. Als Tom das nächste Mal zurück ins Haus ging, öffnete sich zwischen ihm und Margot plötzlich eine Parallelwelt (oder war es meine Wunschwelt?), in der die beiden wie Seelenverwandte Margots Traum mit den vielen Kindern und den abendlichen Gesprächen über Kafka lebten. Ich schrie ihr zu: »Das ist er! Das ist er!! Der kleine Tom! Sag ihm, wer du bist! Erzähl ihm vom St.Anthonys!«
    Vielleicht drang ich zu ihr durch, vielleicht auch nicht. Wie auch immer, Margot schnappte sich die Bücherkiste und ging. Aber vorher kritzelte sie noch schnell ihren Namen und ihre Adresse vorn in ein Exemplar von Philip K. Dicks Minority Report und legte es auf die Treppe vor der Haustür.
    Ein paar Tage später kam er in den Buchladen und fragte nach Margot.
    Â»Wen darf ich melden?«, fragte Bob listig zurück.
    Â»Tom. Den Philip-K.-Dick-Fan.«
    Â»Der kann ja wohl mal gar nicht schreiben, Mann.«
    Â»Ist sie da?«
    Â»Keine Ahnung.«
    Tom seufzte, zog einen Notizblock aus der Jackentasche und schrieb seine Nummer auf. »Würden Sie ihr das bitte geben?«
    Ich sorgte dafür, dass er das tat. Ich sorgte dafür, dass Margot ihn anrief. Und ich sorgte dafür, dass er sie zum Essen einlud und sie zusagte.
    Und so kam es, dass Margot und ich – beide nervös und aufgeregt – uns an einem regnerischen Dienstagabend in ein Taxi setzten und zur Lenox Lounge in Harlem fuhren. Beide träumten wir von der Zukunft – ich von einem langen Leben mit Tom, Margot von ähnlichen Dingen –, und ich freute mich unbändig darüber, dass ich endlich etwas änderte. Ich hatte das Kommando übernommen, ich steuerte mein Schicksalsschiff zu Ufern, die frei von Ballast und Leid waren.
    Tom wartete vor dem Restaurant auf mich. Er trug einen schwarzen Anzug und ein weißes Hemd, dessen oberste Knöpfe offen standen. Er saß auf einem Schiffspoller, die Beine an den Fußgelenken gekreuzt, und wischte sich hin und wieder den Regen aus den Augen. Ich sah Leon neben ihm stehen und winkte ihm. Als Margot Tom entdeckte, quietschte sie so markerschütternd »halt!«, dass der Taxifahrer in die Eisen stieg und ungeachtet des dichten Verkehrs eine Vollbremsung machte. Margot entschuldigte sich, drückte ihm das Geld in die Hand und stieg schnellstens aus. Ich hinterher. Auf der anderen Straßenseite winkte mir jemand zu. Nan. Ich ließ Margot vorauslaufen und ging dann hinüber zu Nan.
    Sie nahm mich fest in den Arm. »Deine neue Farbe gefällt mir. Blau, ja? Dann siehst du die Dinge jetzt wohl etwas anders, was?« Sie hakte sich bei mir unter und zog mich zielstrebig die Straße hinauf.
    Â»Völlig anders«, sagte ich. »Hat sich das Kleid darum verfärbt? Oder wieso würde es sich sonst ganz von allein verfärben?«
    Â»Moment mal, eine Frage nach der anderen«, lachte sie. »Die neue

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