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Tagebuch eines Engels

Tagebuch eines Engels

Titel: Tagebuch eines Engels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carolyn Jess-Cooke
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dass Milch Krebs verursacht?«), aber sie war jetzt glücklicher und damit ein viel besserer Einfluss für Margot. Ich hatte den Groll fast vergessen, den ich so viele Jahre gegen sie gehegt hatte. Den Groll, der jetzt in Margot aufkeimen sollte.
    Das Samenkorn dieses Grolls lag in der Hand jenes jungen Mannes. Nur eine Probe von dem Zeug, das er sonst immer Sonya verkauft hatte, sagte er. Wenn Margot es mochte, wenn es ihr was brachte, würde er in der folgenden Woche wiederkommen und ihr mehr davon zu einem Sonderpreis verkaufen. Margot sah ihn von oben bis unten an. Er konnte nicht älter als siebzehn sein. Er hatte nichts wirklich Verschlagenes an sich – wobei die Sache aus meiner Perspektive schon wieder ganz anders aussah – und wirkte eigentlich ausgesprochen sympathisch. »Und wie nennt sich das?«, fragte sie. »Das Zeug?« Er lächelte. »Lysergsäurediethylamid«, sagte er. »Du kannst es auch LSD oder Acid nennen.« Und damit verabschiedete er sich.
    Ich knetete meine Hände und hatte Schwierigkeiten, mich an diese Szene zu erinnern. Das Problem mit Drogen ist, dass sie einem das Hirn vernebeln. Ich beschloss zu beten und redete dann ein ernstes Wörtchen mit ihr. Margot, sagte ich. Das Zeug da ist giftig. Das willst du gar nicht in deinem Körper haben. Es wird dein Leben ruinieren. Wirklich eine Schande, dass die elementarsten Lebensweisheiten wie lahme Allgemeinplätze daherkommen.
    Sie hörte mich nicht. Als der Junge also in der folgenden Woche wieder auftauchte und in der Woche darauf auch und in der nächsten auch, kaufte Margot immer mehr von seinen Samenkörnern. Und sie keimten, schlugen Wurzeln und trieben verhängnisvolle Blüten.
    Tobys Buch war fast fertig. Er hatte seine Schreibblockade überwunden, indem er sich tage- und nächtelang in dem kleinen Raum neben ihrem gemeinsamen Schlafzimmer buchstäblich verbarrikadiert und auf Grahams alte Schreibmaschine eingehackt hatte. Bis jetzt war ihm Margots Veränderung noch nicht aufgefallen. Er tippte das Wort ENDE – das tat er immer, auch wenn der Verlag es wieder strich –, stellte sich auf seinen Stuhl und boxte in die Luft. Er schloss alles um sich herum wieder auf und verkündete:
    Â»Margot? Margot, Liebling! Ich bin fertig! Lass uns was essen!«
    Er fand sie im Wohnzimmer, wo sie auf und ab tigerte, Bücher aus den Regalen zog und auf den Boden fallen ließ, Kissen vom Sofa zerrte, Schuhe aufhob und sie umgekehrt auf den Boden klopfte, als suche sie nach etwas in ihnen. Sie war umgeben von einer Schneelandschaft aus weißen Federn, die aus der aufgeschnittenen Matratze quollen.
    Â»Margot?«
    Sie ignorierte ihn und suchte weiter.
    Â»Margot, was ist los? Margot!« Er packte sie bei den Schultern und sah sie an. »Schatz, was suchst du denn?«
    Den Verstand , wollte ich sagen, denn den hat sie komplett verloren – aber Witze waren jetzt gerade nicht angebracht.
    Toby konnte es nicht erkennen – er hatte in seinem Leben noch nicht einmal einen Joint geraucht –, aber Margot war bereits voll abhängig, und es würde, das wusste ich nur zu gut, Jahre dauern, sie da wieder herauszuholen. Und genau so sah es aus. Ganz ähnlich der Lichtschlange, die ich bei Una und Ben beobachtet hatte, wand sich Margots Sucht ganz eng um ihr Herz und schlängelte sich dann weiter zu den anderen Organen, bis alle Adern und sämtliche Blutkörperchen den Stoff brauchten.
    Margot starrte Toby leeren Blickes an.
    Â»Hau bloß ab.«
    Er ließ sie los. Verstört und verletzt sah er sie an.
    Â»Sag mir doch einfach, was du suchst, dann helfe ich dir dabei.«
    Â»Nein, geht nicht. Er kommt gleich.«
    Pause.
    Â»Wer kommt gleich?«
    Â»Weiß nicht, wie er heißt.«
    Â»Und warum kommt er? Kommt er hierher? Margot?«
    Er wollte sie wieder packen, aber sie stieß ihn von sich und rannte nach unten. Toby, Gaia und ich folgten ihr.
    Sonya war in der Küche, wo sie Misosuppe trank und las. Margot marschierte auf sie zu und streckte die Hand aus, Handfläche nach oben.
    Â»Ich brauche hundert Dollar.« Das war in den Achtzigern eine Stange Geld.
    Sonya starrte sie an. Erst dachte sie, Margot würde Scherze machen. Aber dann sah sie Margot in die Augen, bemerkte den Schweiß, der ihr übers Gesicht lief, und dass ihre Hand zitterte. Sie stellte die Suppe ab und erhob sich.
    Â»Margie, was hast du genommen, Liebes? Du

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