Tagebuch eines Engels
sagte ich laut. An Gott gerichtet, vermute ich. Ich bin ganz Ohr. Schick mir eine Nachricht, irgendeinen Hinweis, was ich jetzt tun soll. Ich weià ja, was jetzt passiert. Ich weiÃ, dass Margot jetzt fünfzig Dollar für Schnaps ausgibt und mit einem Typen herumknutscht, an dessen Namen ich mich nicht mehr erinnern kann, und ich weiÃ, dass sie gegen Mitternacht dort herausstolpert und völlig vergessen hat, dass sie einen Mann und ein Zuhause hat. Ach, und ein Kind.
Und wissen Sie was? Nichts. Null. Nada. Nicht einmal ein Flüstern. Keine Nachrichten in meinen Flügeln, kein Instinkt. Natürlich redete ich mit Margot, ich schrie sie aus Leibeskräften an, ich sang das Lied der Seelen ⦠Aber sie blendete mich einfach aus. Und das Schlimmste war: Als wir die Bar erreichten, wartete Grogor bereits am Eingang. Margot ging hinein, er legte ihr den Arm um die Taille und begleitete sie. Und ich konnte nichts tun.
Der Grund dafür, dass Toby Margot vorläufig nichts von dem Erfolg seines Buches erzählte, war, dass sie wochenlang nicht miteinander redeten. Ein alter Kollege von der Uni rief ihn aus der Bar an, nachdem er gesehen hatte, wie Margot dort einen Cocktail nach dem anderen kippte und mit einem Studenten rummachte.
Der Anruf verlief so:
Elf Uhr abends. Das Telefon in Tobys und Margots Küche klingelt. Toby hat kein Milchpulver mehr, und die Geschäfte haben alle geschlossen. Theo kreischt.
»Hallo?« Toby hält den Hörer sofort ein gutes Stück weit von seinem Ohr weg. Am anderen Ende ertönt laute Musik.
»Hey, Kumpel. Ich binâs, Jed. Sag mal, Toby, bist du nicht neulich Vater geworden?«
Kurze Pause. »Hmhm.«
»Und ⦠hast du nicht so âne kleine Blonde namens Margot geheiratet?«
»Hmhm.«
»Und hast du eine Ahnung, wo sie jetzt gerade sein könnte?«
Toby sieht sich um. Er hat bereits geschlafen. Er sieht im Schlafzimmer nach.
»Nee, nicht so richtig. Warum?«
»Ich weià nicht recht, wie ichâs dir sagen soll, Kumpel, aber ich glaube, sie ist hier.«
»Wo?«
Also nahm Toby das Baby, packte es ins Auto und fuhr mit ihm dorthin, wo Margot mit einem anderen Typen Händchen hielt, während sie sich an einem Laternenpfahl die Seele aus dem Leib kotzte.
Hilflos und reumütig sah ich zu, wie Toby neben Margot hielt, noch einmal nach Theo sah und dann aus dem Wagen sprang. Gaia und James blieben im Auto. Ich wandte den Blick ab. Toby näherte sich Margot, die zwar genau wusste, dass er da war, sich aber weigerte, ihm zu antworten, bis er schlieÃlich »Theo braucht dich« sagte und ein Funken Verantwortungsgefühl und ein Funken Liebe doch noch in ihr aufglimmten und sie veranlassten, zum Auto zu torkeln. Fast wäre sie noch auf Theo draufgefallen.
Mir fehlen die Worte.
Mir fehlen die Worte, um zu beschreiben, was mir in jener Nacht passierte.
Ich weià nur, dass ich alles ändern wollte. Ich wollte den Vorhang wegreiÃen, der mich und Margot voneinander trennte. Ich wollte wieder zurück in ihre sterbliche Hülle kriechen und Toby um Verzeihung bitten. Ich wollte mir Theo schnappen und mit ihm weglaufen, ich wollte ihn so weit wie irgend möglich wegbringen von dieser schrecklichen, gebrochenen Frau, und gleichzeitig wollte ich alle ihre Wunden heilen, ich wollte die Zeit zurückdrehen, und ich wollte Gott sehen und ihn beschimpfen für alles, was passiert war und sie so hatte werden lassen.
Von diesem Tag an verblutete jene Ehe, die schon tödliche Stichwunden erfahren hatte, bevor sie überhaupt begonnen hatte. Sie erfror im eisigen Schweigen zwischen Toby und Margot. Toby verbrachte seine Tage damit, zu schreiben, Margot redigierte Roses Notizbücher, und Theo sah von einem traurigen Gesicht zum anderen und dann zu mir. Ich sagte ihm, dass ich ihn liebte, dass ich seinen Vater liebte. Dass es mir leidtat.
Und ich betete, dass irgendjemand mich irgendwo hören würde.
â 20 â
DIE CHANCE, ETWAS ZU ÃNDERN
Als die schrecklichen Ereignisse jener Nacht zu einer unguten Erinnerung verblasst waren und Toby endlich, endlich auf Gaia hörte und Margot verzieh, beschlossen sie, es noch einmal zu versuchen.
Das war der glücklichste Tag meines Lebens, sowohl vor als auch nach meinem Tod.
Margot hatte an einer Bushaltestelle ein Werbeplakat mit Tobys Buch gesehen. Sie kam nach Hause, schwer beladen mit Einkäufen, und wurde von
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