Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
er hielt Tylers Kopf fest und sich selbst außer Reichweite seiner Zähne und Krallen. Bonnie sah ihre Chance und zielte. Doch Tyler erkannte, was sie vorhatte.
In einem Ausbruch unmenschlicher Kraft zog er die Beine an und schleuderte Matt zurück. Matt prallte mit dem Kopf gegen einen Baumstamm. Das
Geräusch dabei würde Bonnie nie vergessen. Wie eine überreife Melone, die platzte. Er glitt an dem Baum zusammen und blieb reglos liegen. Bonnie keuchte erschrocken auf. Sie wollte zu Matt laufen, doch plötzlich stand Tyler vor ihr. Er atmete heftig, mit Blut vermischter Speichel lief aus seinem Mund. Wie im Traum hob Bonnie den Stock, doch sie fühlte, wie er in ihrer Hand zitterte. Matt war so still - atmete er überhaupt noch? Bonnie begann zu schluchzen, während sie Tyler gegenüberstand. Das Ganze war zu lächerlich. Er war doch ein Junge aus ihrer Schule. Ein Junge, mit dem sie letztes Jahr noch auf der Schulfete getanzt hatte. Wie konnte er sie davon abhalten, Matt zu helfen? Warum wollte er sie alle verletzen? Was trieb ihn dazu, so zu handeln?
„Tyler... bitte“, begann sie, wollte ihm Vernunft einreden, ihn anflehen... „Ganz allein im dunklen Wald, Rotkäppchen?“ Er grinste hämisch. Seine Stimme klang dick und belegt. In diesem Moment wußte Bonnie, daß dies nicht mehr der Junge war, mit dem sie zur High-School gegangen war. Das hier war schlimmer als jedes Raubtier.
„Jemand hätte dich warnen sollen“, fuhr er fort. „Denn, wenn du allein in den Wald gehst, wem könntest du begegnen?
Richtig, dem großen, bösen...“ „Blödmann!“ beendete eine Stimme den Satz für ihn, und
mit einem Gefühl übermächtiger Dankbarkeit sah Bonnie, wie Meredith neben sie trat. Meredith hielt Stefans silbernen Dolch in der Hand, der im Mondlicht schimmerte.
„Silber, Tyler.“ Meredith schwang ihn drohend hin und her. „Ich frage mich, was Silber bei den Gliedern eines Werwolfs anrichtet. Willst du es sehen?“ Das war nicht mehr die kühle, elegante, selbstbeherrschte Meredith. Das hier war Meredith, die Kämpferin. Und obwohl sie lächelte, kochte sie vor Wut.
„Ja!“ schrie Bonnie triumphierend. Sie fühlte, wie Kraft sie durchströmte. Plötzlich konnte sie sich wieder bewegen. Sie und Meredith. Gemeinsam waren sie unbesiegbar. Meredith schlich von einer Seite an Tyler heran, Bonnie hielt an der anderen den Stock bereit. Ein Verlangen überfiel sie, das sie noch nie zuvor gespürt hatte. Die Lust, Tyler so hart auf den Kopf zu schlagen, wie sie nur konnte. Und sie spürte, daß sie stärker war als je zuvor.
Und Tyler ahnte es. Er wußte, daß sie ihn von beiden Seiten angreifen wollten. Instinktiv machte er einen Rückzieher, wandte sich um, um von ihnen wegzukommen.
Sie folgten ihm. Für eine Minute oder zwei verhielten sie sich wie ein kleines Sonnensystem. Tyler drehte sich in der Mitte um seine eigene Achse. Bonnie und Meredith umkreisten ihn und warteten auf eine Chance für ihren Angriff.
Eins, zwei, DREI. Ein stummes Signal zuckte von Meredith zu Bonnie. Gerade, als Tyler Meredith ansprang und versuchte, ihr das Messer aus der Hand zu stoßen, schlug Bonnie zu. Sie erinnerte sich an den Rat eines längst entschwundenen Freundes, der versuchte hatte, ihr Baseball beizubringen. Sie stellte sich vor, nicht auf Tyler Kopf, sondern durch ihn hindurch zu schlagen, um etwas auf der anderen Seite zu treffen. Sie legte das ganze Gewicht ihres zierlichen Körpers in den Schlag. Der Aufprall war so heftig, daß ihr die Arme dabei fast aus den Gelenken gerissen wurden. Der Stock zersplitterte. Tyler kippte um wie ein Boxer, der k.o. ist.
„Ich hab's geschafft! Ja!“ jubelte Bonnie und warf das zerbrochene Ende des Astes in ihrer Hand weg. „Wir haben es geschafft!“ Ihr Freudenschrei gellte durch die Lichtung. Sie packte den schweren Körper beim Haar und zog ihn von Meredith runter. Tyler war in der Hitze des Kampfes auf sie gestürzt. „Wir...“
Die Worte blieben Bonnie im Hals stecken. „Meredith!“ schrie sie entsetzt. „Schon gut“, stieß Meredith unter Schmerzen hervor. Ihre Stimme ist so schwach, dachte Bonnie. Sie kam sich vor, als hätte ihr jemand einen Kübel Eiswasser über den Kopf gekippt. Tyler hatte Meredith das Bein bis auf die Knochen aufgerissen. Großen, klaffende Wunden liefen Meredith' Schenkel entlang. Durch die zerfetzten Jeans und das Blut konnte Bonnie klar das zerrissene Fleisch erkennen.
„Meredith!“ rief sie außer sich. Sie mußten die Freundin
Weitere Kostenlose Bücher