Tagebuch Eines Vampirs 04. In Der Schattenwelt
zu einem Arzt bringen. Jeder mußte jetzt mit dem Wahnsinn aufhören, das mußten doch alle verstehen. Sie hatten einen Notfall hier, sie brauchten einen Krankenwagen... „Meredith“, keuchte sie, den Tränen nahe.
„Binde es mit etwas zusammen.“ Meredith' Gesicht war weiß.
Schock. Sie fiel in Schock. Und soviel Blut, soviel Blut strömte heraus. Oh, Gott, dachte Bonnie. Bitte, hilf mir. Sie sah sich nach einer Kordel um, fand jedoch nichts.
Etwas fiel neben ihr auf den Boden. Ein zerfranstes Stück Nylonseil, wie das Seil, mit dem sie Tyler in der Kirchenruine gefesselt hatten. Bonnie sah hoch. „Kannst du das brauchen?“
fragte Caroline unsicher mit klappernden Zähnen.
Sie trug ihr grünes Kleid, ihr sonst so gepflegtes Haar war wild und struppig, das Gesicht von Schweiß und Blut verschmiert.
Noch während sie sprach, schwankte sie leicht und fiel neben Bonnie auf die Knie.
„Bist du verletzt?“ fragte Bonnie entsetzt. Caroline schüttelte den Kopf, aber dann beugte sie sich
nach vorn und würgte. Bonnie sah die beiden Wundmale an ihrem Hals. Doch jetzt war keine Zeit, sich um Caroline zu kümmern. Meredith war wichtiger. Bonnie band das Seil über Meredith' Wunden zusammen und versuchte sich verzweifelt daran zu erinnern, was sie im Erste-Hilfe-Kurs gelernt hatte.
Eine Aderpresse durfte nicht zu fest sein, sonst bestand die Gefahr, daß Wundbrand einsetzte. Aber sie mußte das fließende Blut stoppen. Oh, Meredith.
„Bonnie... hilf Stefan“, keuchte Meredith, ihre Stimme war nur noch ein Flüstern. „Er wird es brauchen...“ Sie sank zurück, ihr Atem flatterte, und ihre Augen drehten sich zum Himmel.
Naß. Alles war naß. Bonnies Hände, ihre Kleider, der Boden.
Naß von Meredith' Blut. Und Matt lag unter dem Baum, immer noch bewußtlos. Sie konnte sie unmöglich verlassen.
Besonders nicht, da Tyler ebenfalls dort lag. Er könnte aufwachen.
Wie benommen drehte sie sich zu Caroline um, die sich zitternd erbrach. Zwecklos, dachte Bonnie. Aber sie hatte keine andere Wahl. „Caroline, hör mir gut zu.“ Sie hob den größeren Teil des Astes auf, den sie bei Tyler benutzt hatte und drückte ihn Caroline in die Hand. „Du bleibst bei Matt und Meredith. Lockere die Aderpresse ungefähr alle zwanzig Minuten. Und falls Tyler aufwacht, wenn er sich auch nur rührt, schlägst du ihn damit, so hart du kannst. Hast du das verstanden? Caroline“, fügte sie hinzu. „Das ist deine große Chance zu beweisen, daß du zu etwas taugst. Daß du nicht völlig nutzlos bist. Okay?“ Sie fing den ausweichenden Blick in den grünen Augen auf und wiederholte reit Nachdruck:
„Okay?“
„Aber was wirst du tun?“ Bonnie sah zur Lichtung. „Nein, Bonnie.“ Carolines Hand packte sie, und Bonnie bemerkte im Unterbewußtsein die abgesplitterten Fingernägel und die roten, wunden Stellen von den Fesseln um ihre Handgelenke.
„Bleib hier in Sicherheit. Geh nicht zu ihnen. Du kannst nichts tun...“ Bonnie schüttelte sie ab und ging zur Lichtung, bevor sie den Mut verlor. Tief in ihrem Inneren wußte sie, daß Caroline recht hatte. Es gab nichts, was sie tun konnte. Doch etwas, das Matt vorhin gesagt hatte, klang in ihr nach. Es zumindest zu versuchen. Sie mußte es versuchen. Trotzdem blieb ihr während der nächsten furchtbaren Minuten nichts weiter übrig, als zuzusehen. Bisher hatten Stefan und Klaus Schläge mit einer solchen Gewalt und Präzision ausgetauscht wie bei einem schönen, tödlichen Tanz. Es war ein ausgeglichener oder fast ausgeglichener Kampf gewesen. Jetzt beobachtete sie, wie Stefan Klaus mit seinem weißen Eschenstab in die Knie zwang, ihn immer weiter nach hinten drängte, wie ein Limbotänzer, der probiert, wie weit er gehen kann. Und Bonnie konnte das Gesicht von Klaus sehen. Den Mund leicht geöffnet, starrte er Stefan mit einer Mischung aus Überraschung und Furcht an.
Dann änderte sich alles. Als Klaus sich so weit nach hinten gebeugt hatte, wie er konnte, als es schien, daß er nah daran war, zusammenzubrechen und aufzugeben, passierte etwas.
Klaus lächelte. Und stieß seinerseits zurück. Bonnie sah, wie Stefans Muskeln sich zusehends verkrampften vor Anstrengung. Aber Klaus grinste wild und gab nicht nach.
Seine Augen waren weit aufgerissen. Langsam, unerbittlich richtete er sich wie ein böser Schachtelteufel auf. Sein Grinsen wurde immer breiter, bis es schließlich sein Gesicht zu spalten schien. Wie bei der Cheshire Katze aus Alice im Wunderland.
Eine Katze,
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