Tagebuch eines Vampirs 9 - Jagd im Mondlicht
zum Spaß zu Tode gefoltert. Er hatte Catarina verwandelt,
zuerst in einen Vampir, dann in eine grausame Puppe, hatte sie verändert,
bis sie bösartig und bar jeder Vernunft war, nur darauf aus, jene zu fol-
tern, die sie einst geliebt hatte. Stefano, Damon und Elena hatten ihn
schließlich getötet, aber das wäre unmöglich gewesen ohne den Mut einer
ganzen Armee von unruhigen Geistern aus dem Bürgerkrieg, die an die
blutgetränkte Erde der Schlachtfelder von Fell’s Church gebunden waren.
»Nicolaus, der Vampir, der den Vampir erschaffen hat, der dich er-
schaffen hat«, fuhr Ethan gut gelaunt fort. »Ich habe eines seiner
Geschöpfe, eine Frau, in diesem Sommer auf meiner Reise durch Europa
gefunden. Ich habe sie dazu überredet, mich zum Vampir zu machen. Sie
hat mich auch in einige Tricks eingeweiht, zum Beispiel wie man Eisen-
kraut benutzt und dass Lapislazuli uns vor der Sonne schützen kann. Ich
habe Lapislazuli in unseren Abzeichen verarbeitet, sodass alle Mitglieder
es ständig bei sich tragen. Sie war sehr hilfreich, diese Vampirin, die mich
verwandelt hat. Und sie hat mir alles über Nicolaus erzählt.« Er lächelte
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Stefano wieder voller Wärme an. »Siehst du, du solltest mich mögen, Ste-
fano. Wir sind praktisch Cousins.«
Stefano schloss für einen Moment die Augen. »Nicolaus war wahnsin-
nig«, versuchte er zu erklären. »Er wird nicht mit dir zusammenarbeiten,
er wird dich vernichten.«
Ethan seufzte. »Ich glaube wirklich, dass ich das mit ihm regeln kann«,
entgegnete er. »Ich bin sehr überzeugend. Und ich biete ihm meine Sold-
aten. Wie ich gehört habe, mag er Krieg. Es gibt keinen Grund, warum er
uns abweisen sollte, wir wollen ihm alles geben, was er will.«
Er hielt inne und sah Stefano immer noch lächelnd an, aber jetzt lag et-
was in diesem Lächeln, das Stefano ganz und gar nicht gefiel. Geheuchelte
Unschuld. Was immer Ethan ihn gleich fragen würde, er kannte die Ant-
wort bereits. »Bedeutet das etwa, dass du kein Interesse daran hast, dich
unserer Armee anzuschließen, Cousin?«
Zähneknirschend stemmte Stefano sich einmal mehr gegen seine Fes-
seln, aber sie gaben nicht nach. Er funkelte Ethan an. »Ich werde dir nicht
helfen«, sagte er. »Niemals.«
Ethan kam näher und beugte sich vor, bis sein Gesicht auf gleicher
Höhe mit dem Stefanos war. »Aber du wirst helfen«, sagte er leichthin,
und in seinen Augen blitzte Selbstzufriedenheit auf. »Ob du willst oder
nicht. Denn das Wichtigste, das ich Nicolaus bringen muss, ist Blut.« Er
fuhr sich kopfschüttelnd durch seine Locken. »Es geht immer um Blut, ist
dir das schon aufgefallen?«, fügte er hinzu.
»Blut?«, fragte Stefano unbehaglich. Junge Vampire waren seiner
Meinung nach niemals bei klarem Verstand – der anfängliche Rausch der
neuen Sinne und Kräfte war stark genug, um jeden zu verwirren. Lang-
sam dämmerte ihm jedoch, dass Ethans Verstand von Anfang an nicht
allzu klar gewesen sein konnte. Er hatte jemanden überredet, ihn in einen
Vampir zu verwandeln?
»Insbesondere das Blut seiner Geschöpfe.« Ethan nickte selbstgefällig.
»Deshalb war ich so entzückt über die Entdeckung, dass du hier auf dem
Campus bist. In diesem Sommer ist es zu meinem Hobby geworden,
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Nicolaus’ Geschöpfe aufzuspüren, nachdem ich gleich die erste von ihnen,
die ich kennenlernte, so erfolgreich beschwatzen konnte, mich zu verwan-
deln. Einige andere haben mir ihr Blut freiwillig gegeben, als sie hörten,
was ich vorhabe. Nicolaus’ Geschöpfe sind nämlich nicht alle so undank-
bar wie du. Jetzt brauche ich nur noch ein klein wenig mehr, dann habe
ich genug Blut. Ein klein wenig von deinem natürlich« – sein Blick flack-
erte Richtung Tür, die Stefano während der ganzen Zeit verstohlen beo-
bachtet hatte – »und von dem deines Bruders. Ich nehme an, er wird
jeden Augenblick hier sein?«
Stefano erstarrte. Dann richtete er seinen Blick unverhohlen und voller
Verzweiflung auf die Tür.
Damon, bitte, komm nicht!
Kapitel Vierzig
Damon bewegte sich geschmeidig schnell, und Elena und die anderen
mussten beinahe rennen, um mit ihm Schritt zu halten. »Typisch Stefano,
sich selbst zu opfern«, murmelte er wütend. »Er hätte um Hilfe bitten
können, als ihm klar wurde, dass etwas nicht stimmte.« Er hielt für eine
Sekunde inne, damit ihn die anderen auf dem Weg zur Bibliothek ein-
holen konnten, und starrte sie alle zornig an. »Wenn Stefano es
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