Tagebuch (German Edition)
schweinischer Junge, und es geht das Gerücht um, dass er gepaart hat. Trotzdem finde ich ihn toll, denn er ist sehr witzig.
Emiel Bonewit ist der Verehrer von G. Z., aber sie macht sich nicht viel daraus. Er ist ziemlich langweilig.
Rob Cohen war auch verliebt in mich, aber jetzt kann ich ihn nicht mehr ausstehen. Er ist heuchlerisch, verlogen, weinerlich, verrückt und unangenehm und bildet sich schrecklich viel ein.
Max van de Velde ist ein Bauernjunge aus Medemblik, aber ganz annehmbar, würde Margot sagen.
Herman Koopman ist auch arg schweinisch, genau wie Jopie de Beer, der ein richtiger Schürzenjäger ist.
Leo Blom ist der Busenfreund von Jopie de Beer und auch vom Schweinischsein angesteckt.
Albert de Mesquita kommt von der Montessorischule und hat eine Klasse übersprungen. Er ist sehr klug.
Leo Slager kommt von derselben Schule, ist aber nicht so klug.
Ru Stoppelmon ist ein kleiner, verrückter Junge aus Almelo, der erst später in die Klasse gekommen ist.
C. N. tut alles, was nicht erlaubt ist.
Jacques Kocernoot und Pam sitzen hinter uns, und wir lachen uns oft krank (G. und ich).
Harry Schaap ist der anständigste Junge aus unserer Klasse, er ist nett.
Werner Joseph auch, ist aber zu still und wirkt dadurch langweilig.
Sam Salomon ist ein Rabauke aus der Gosse, ein Mistjunge. (Verehrer!)
Appie Riem ist ziemlich orthodox, aber auch ein Dreckskerl. Jetzt muss ich aufhören. Beim nächsten Mal habe ich wieder so viel in dich zu schreiben, d.h. dir zu erzählen. Tschüs! Ich finde dich so toll!
Samstag, 20. Juni 1942
Es ist für jemanden wie mich ein eigenartiges Gefühl, Tagebuch zu schreiben. Nicht nur, dass ich noch nie geschrieben habe, sondern ich denke auch, dass sich später keiner, weder ich noch ein anderer, für die Herzensergüsse eines dreizehnjährigen Schulmädchens interessieren wird. Aber darauf kommt es eigentlich nicht an, ich habe Lust zu schreiben und will mir vor allem alles Mögliche gründlich von der Seele reden.
Papier ist geduldiger als Menschen. Dieses Sprichwort fiel mir ein, als ich an einem meiner leicht-melancholischen Tage gelangweilt am Tisch saß, den Kopf auf den Händen, und vor Schlaffheit nicht wusste, ob ich weggehen oder lieber zu Hause bleiben sollte, und so schließlich sitzen blieb und weitergrübelte. In der Tat, Papier ist geduldig. Und weil ich nicht die Absicht habe, dieses kartonierte Heft mit dem hochtrabenden Namen »Tagebuch« jemals jemanden lesen zu lassen, es sei denn, ich würde irgendwann in meinem Leben »den« Freund oder »die« Freundin finden, ist es auch egal.
Nun bin ich bei dem Punkt angelangt, an dem die ganze Tagebuch-Idee angefangen hat: Ich habe keine Freundin.
Um noch deutlicher zu sein, muss hier eine Erklärung folgen, denn niemand kann verstehen, dass ein Mädchen von dreizehn ganz allein auf der Welt steht. Das ist auch nicht wahr. Ich habe liebe Eltern und eine Schwester von sechzehn, ich habe, alle zusammengezählt, mindestens dreißig Bekannte oder was man so Freundinnen nennt. Ich habe einen Haufen Anbeter, die mir alles von den Augen ablesen und sogar, wenn’s sein muss, in der Klasse versuchen, mit Hilfe eines zerbrochenen Taschenspiegels einen Schimmer von mir aufzufangen. Ich habe Verwandte und ein gutes Zuhause. Nein, es fehlt mir offensichtlich nichts, außer »die« Freundin. Ich kann mit keinen von meinen Bekannten etwas anderes tun als Spaß machen, ich kann nur über alltägliche Dinge sprechen und werde nie intimer mit ihnen. Das ist der Haken. Vielleicht liegt dieser Mangel an Vertraulichkeit auch an mir. Jedenfalls ist es so, leider, und nicht zu ändern. Darum dieses Tagebuch.
Um nun die Vorstellung der ersehnten Freundin in meiner Phantasie noch zu steigern, will ich nicht einfach Tatsachen in mein Tagebuch schreiben wie alle andern, sondern ich will dieses Tagebuch die Freundin selbst sein lassen, und diese Freundin heißt Kitty.
Meine Geschichte! (Idiotisch, so etwas vergisst man nicht.)
Weil niemand das, was ich Kitty erzähle, verstehen würde, wenn ich so mit der Tür ins Haus falle, muss ich, wenn auch ungern, kurz meine Lebensgeschichte wiedergeben.
Mein Vater, der liebste Schatz von einem Vater, den ich je getroffen habe, heiratete erst mit 36 Jahren meine Mutter, die damals 25 war. Meine Schwester Margot wurde 1926 in Frankfurt am Main geboren, in Deutschland. Am 12. Juni 1929 folgte ich. Bis zu meinem vierten Lebensjahr wohnte ich in Frankfurt. Da wir Juden sind, ging
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