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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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übersetzt.
    13. II 12 Ich beginne für die Konference zu Löwys Vorträgen zu schreiben. Sie ist schon Sonntag den 18ten. Ich werde nicht mehr viel Zeit haben mich vorzubereiten und stimme doch hier
    ein Recitativ an wie in der Oper. Nur deshalb weil schon seit Tagen eine ununterbrochene Aufregung mich bedrängt und ich vor dem eigentlichen Beginn halbwegs zurückgezogen paar Worte nur für mich hinschreiben will, um dann erst ein wenig in Gang gebracht vor die Öffentlichkeit mich hinzustellen. Kälte und Hitze wechselt in mir mit dem wechselnden Wort innerhalb des Satzes, ich träume melodischen Aufschwung und Fall, ich lese Sätze Goethes, als liefe ich mit ganzem Körper die Betonungen ab.
      25. II 12 Das Tagebuch von heute an festhalten! Regelmäßig schreiben! Sich nicht aufgeben! Wenn auch keine Erlösung kommt, so will ich doch jeden Augenblick ihrer würdig sein. Diesen Abend verbrachte ich in vollständiger Gleichgültigkeit am Familientisch, die rechte Hand an der Sessellehne der neben mir Karten spielenden Schwester, die linke schwach im Schooß. Von Zeit zu Zeit suchte ich meines Unglücks mir bewußt zu werden, es gelang mir kaum. –
    Ich habe so lange nichts geschrieben, weil ich einen Vortragsabend Löwys im Festsaal des jüdischen Rathauses am 18. II 12 veranstaltet habe, bei dem ich einen kleinen Einleitungsvortrag über Jargon hielt. Zwei Wochen lebte ich in Sorgen, weil ich den Vortrag nicht zustandebringen konnte. Am Abend vor dem Vortrag gelang er mir plötzlich. Vorbereitungen zum Vortrag: Konferenzen mit dem Verein Bar-Kochba, Zusammenstellung des Programms, Eintrittskarten, Saal, Numerierung der Plätze, Schlüssel zum Klavier (Toynbeehalle), erhöhtes Podium, Klavierspieler, Kostümierung, Kartenverkauf, Zeitungsnotizen, Censur der Polizei und der Kultusgemeinde. Lokale, in denen ich war und Leute mit denen ich gesprochen oder denen ich geschrieben habe: Allgemeines: mit Max, mit Schmerler, der bei mir war, mit Baum, der zuerst die Conference übernommen hatte, sie dann ablehnte, den ich im Laufe eines dafür bestimmten Abends wieder umstimmte und der den nächsten Tag mit Rohrpostkarte wieder absagte, mit Dr. Hugo Hermann und Leo Hermann im Kafe Arco, öfters mit Robert Weltsch in seiner Wohnung, wegen Kartenverkaufes mit Dr. Bloch (umsonst) Dr. Hanzal, Dr. Fleischmann, Besuch bei Frl. Taussig, Vortrag im Afike Jehuda (Rabb. Ehrentreu ber Jeremias und seine Zeit beim geselligen Zusammensein nachher kleine mißlungene Rede über Löwy), beim Lehrer Weiß (dann im Cafe, dann spazieren, von 12 bis 1 stand er lebendig wie ein Tier vor meiner Haustür und ließ mich nicht hinein) Wegen des Saales bei Dr. Karl Bendiener, im Flur des Rathauses mit dem alten Dr. Bendiener, zweimal in der Wohnung des Liebers am Heuwagsplatz, einigemal bei Otto Pick in der Bank, wegen des Klavierschlüssels beim Toynbeevortrag mit Hr. Roubitschek und dem Lehrer Stiassny, dann in des letzternWohnung den Schlüssel abholen und wieder zurückbringen, wegen des Podiums mit dem Hausmeister und Diener des Rathauses, wegen der Bezahlung in der Rathauskanzlei (zweimal), wegen des Verkaufes bei Frau Freund in der Ausstellung “Der gedeckte Tisch”

      Geschrieben: an Frl. Taussig, an einen Otto Klein (nutzlos) fürs Tagblatt (nutzlos) an Löwy (“ich werde den Vortrag nicht halten können, retten Sie mich! “) Aufregungen: wegen des Vortrags eine Nacht zusammengedreht im Bett, heiß und schlaflos, Haß auf Dr. Bloch, Schrecken vor Weltsch (er wird nichts verkaufen können) Afike Jehuda, in den Zeitungen erscheinen die Notizen nicht so wie man es erwartet, Zerstreutheit im Bureau, das Podium kommt nicht, es wird wenig verkauft, die Farbe der Karten regt mich auf, der Vortrag muß unterbrochen werden, weil der Klavierspieler die Noten zuhause in Kosir vergessen hat, häufige Gleichgültigkeit gegen Löwy, fast Abscheu.

    Nutzen: Freude an L. und Vertrauen zu ihm, stolzes, überirdisches Bewußtsein während meines Vortrages (Kälte gegen das Publikum, nur der Mangel an Übung hindert mich an der Freiheit der begeisterten Bewegung) starke Stimme, müheloses Gedächtnis, Anerkennung, vor allem aber die Macht mit der ich laut, bestimmt, entschlossen, fehlerfrei, unaufhaltsam, mit klaren Augen, fast nebenbei, die Frechheit der drei Rathausdiener unterdrücke und ihnen statt der verlangten 12K nur 6K gebe und diese noch wie ein großer Herr. Da zeigen sich Kräfte, denen ich mich gerne anvertrauen möchte, wenn sie

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