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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Wohnungstüre, sie ist ganz ängstlich: “Aber, Herr Reichmann warum kommen Sie mittag. Mein Mann schläft. Ich kann Sie jetzt nicht hereinlassen.” “Frau D. Sie müssen mich unbedingt hineinlassen. Es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit.” Sie sieht, ich mache Ernst und läßt mich ein. Der Mann war ja bestimmt nicht zuhause. In einem Nebenzimmer sehe ich auf dem Tisch mein Manuscript und mache mir gleich meine Gedanken. “Frau D. was haben Sie mit meinem Manuscript gemacht. Sie haben es ohne meine Zustimmung ins Tagblatt gegeben. Wieviel Honorar haben Sie bekommen?” Sie zittert, sie weiß nichts, hat keine Ahnung, wie es in die Zeitung hat kommen können. J’accuse Frau D. sage ich, halb scherzend aber doch so, daß sie meine wahre Stimmung merkt und dieses j’accuse Frau D. wiederhole ich die ganze Zeit, während ich dort bin, damit sie es sich merkt und sage es noch beim Abschied in der Tür mehrere Male. Ihre Angst verstehe ich ja gut. Wenn ich es bekanntmache oder sie klage, ist sie ja unmöglich, muß aus dem Frauenfortschritt heraus

    U. S. W.
      Von ihr gehe ich direkt in die Redaktion des Tagblatt und lasse den Redakteur Löw herausrufen. Er kommt natürlich ganz bleich heraus, kann kaum gehn. Trotzdem will ich nicht gleich auf meine Sache losgehn und ihn auch zuerst prüfen. Ich frage ihn also “Herr Löw, sind Sie Zionist?” (Denn ich weiß, daß er Zionist war) “Nein” sagt er. Ich weiß genug, er muß sich also vor mir verstellen. Jetzt frage ich nach dem Aufsatz. Wieder unsicheres Reden. Er weiß nichts, hat mit der Unterhaltungsbeilage nichts zu tun, wird wenn ich es wünschte den betreffenden Redakteur holen. Herr Wittmann kommen Sie her, ruft er und ist froh, daß er wegkann. Wittmann kommt, wieder ganz bleich. Ich frage: “Sind Sie der Redakteur der Unterhaltungsbeilage.” Er: Ja. Ich sage nur “j’accuse” und gehe.
    In der Bank läute ich sofort telephonisch die “Bohemia” an. Ich will ihr die Geschichte zur Veröffentlichung übergeben. Es kommt aber keine rechte Verbindung zustande. Wissen Sie warum? Die Tagblattredaktion ist ja nahe bei der Hauptpost, da können sie vom Tagblatt aus leicht die Verbindungen nach Belieben beherrschen, aufhalten und herstellen. Und tatsächlich höre ich immerfort im Telephon undeutliche Flüsterstimmen offenbar von Tagblattredakteuren. Sie haben ja ein großes Interesse, diese telephonische Verbin dung nicht zuzulassen. Da höre ich (natürlich ganz undeutlich) wie die einen auf das Fräulein einreden, daß sie die Verbindung nicht herstellen soll, während die andern schon mit der Bohemia verbunden sind und sie von der Aufnahme meiner Geschichte abhalten wollen. “Fräulein” schreie ich ins Telephon hinein “wenn Sie jetzt nicht sofort die Verbindung herstellen, klage ich bei der Postdirektion. ” Die Kollegen in der Bank lachen rings herum, wie sie mich so energisch mit dem Telephonfräulein reden hören. Endlich habe ich die Verbindung. “Rufen Sie den Redakteur Kisch. Ich habe für die Bohemia eine äußerst wichtige Meldung. Wenn sie sie nicht nimmt, gebe ich sie sofort einer andern Zeitung. Es ist höchste Zeit. ” Da aber Kisch nicht dort ist, läute ich ab, ohne etwas zu verraten.

      Am Abend gehe ich zur Bohemia und lasse den Redakteur Kisch herausrufen. Ich erzähle ihm die Geschichte, aber er will sie nicht veröffentlichen. “Die Bohemia, sagt er, kann so etwas nicht machen, das wäre ein Skandal und den können wir nicht wagen, weil wir abhängig sind. Geben Sie es einem Advokaten, das ist das Beste. “
      Wie ich von der Bohemia kam habe ich Sie getroffen und frage Sie also um Rat.

    “Ich rate Ihnen die Sache im Guten beizulegen. “.
      Ich habe mir ja auch gedacht, daß es besser wäre. Sie ist ja eine Frau. Frauen haben keine Seele sagt Mohamet mit Recht. Zu verzeihen wäre auch menschlicher, goethischer.
      “Gewiß. Und dann müssen Sie auch auf den Recitationsabend nicht verzichten, der doch sonst verloren wäre. “
    “Was soll ich aber jetzt machen”

      “Sie gehn morgen hin und sagen, daß Sie diesmal noch unbewußte Beeinflussung annehmen wollen. “
    “Das ist sehr gut. So werde ich es wirklich machen”
      “Auf die Rache müssen Sie deshalb noch nicht verzichten. Sie lassen einfach den Aufsatz anderswo drucken und schicken ihn dann der Frau D. mit einer schönen Widmung. “

      “Das wird die beste Strafe sein. Ich lasse es im Deutschen Abendblatt drucken. Das nimmt es

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