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Tagebücher: 1909-1923

Tagebücher: 1909-1923

Titel: Tagebücher: 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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spazierengehn, Du mußt auch bei uns nachtmahlen. Also rasch. Sehr gern sagte der Ingenieur von seinem Lederkanapee her aber was zuerst aufstehn nachtmahlen spazierengehn, Ratgeber Einiges werde ich auch berhört haben. Vor allem keine Witze machen Franz. Das ist das Wichtigste, das habe ich vergessen. Den Gefallen mach ich Dir sofort. Aber das Aufstehn – Ich würde lieber zweimal für Dich nachtmahlen als einmal aufstehn. Also jetzt auf! Keine Widerrede. Oskar faßte den schwachen Menschen vorn beim Rock und setzte ihn auf. Du bist aber rabiat weißt Du. Alle Achtung. Er wischte sich mit beiden kleinen Fingern die geschlossenen Augen aus. Sag. Hab ich dich schon einmal so vom Kanape gerissen. Aber Franz sagte Oskar mit verzogenem Gesicht zieh Dich schon an. Ich bin doch kein Narr, daß ich Dich ohne Grund geweckt hätte. – Ebenso habe ich auch nicht ohne Grund geschlafen. Ich habe gestern Nachtdienst gehabt, dann bin ich heute schon um meinen Mittagsschlaf gekommen, auch Deinetwegen – Wieso? Ach was, es ärgert mich schon, wie wenig Rücksicht Du auf mich nimmst. Es ist nicht das erste Mal. Natürlich Du bist ein freier Student und kannst machen was Du willst. Jeder ist nicht so glücklich. Da muß man doch Rücksichten nehmen, zum Kuckuck. Ich bin zwar Dein Freund, aber deshalb hat man mir noch meinen Beruf nicht abgenommen. – Er zeigte das durch Hin- und Herschütteln der flachen Hände. Muß ich aber nach Deinem jetzigen Mundwerk nicht glauben, daß Du mehr als genug ausgeschlafen bist sagte Oskar der sich auf einen Bettpfosten hinaufgezogen hatte von wo er den Ingenieur ansah als habe er schon etwas mehr Zeit wie früher. Also was willst Du eigentlich von mir? oder besser gesagt warum hast Du mich geweckt fragte der Ingenieur und rieb sich stark den Hals unter seinem Ziegenbart in dieser nähern Beziehung, die man nach dem Schlaf zu seinem Körper hat. Was ich von Dir will sagte Oskar leise und gab dem Bett einen Stoß mit dem Fußabsatz. Sehr wenig. Ich habe es Dir doch schon aus dem Vorzimmer gesagt: daß Du Dich anziehst. Wenn Du damit Oskar andeuten willst, daß mich Deine Neuigkeit sehr wenig interessiert, so hast Du ganz recht. Das ist ja gut, so wird das Feuer, in das sie Dich setzen wird, ganz auf ihre eigene Rechnung gehn, ohne daß sich unsere Freundschaft eingemischt hätte. Die Auskunft wird auch klarer sein, ich brauche klare Auskunft, das halte Dir vor Augen. Wenn Du aber vielleicht Kragen und Kravatte suchst, sie liegen dort auf dem Sessel. Danke sagte der Ingenieur, und fieng an Kragen u. Kravatte zu befestigen auf Dich kann man sich halt doch verlassen.
    26 III 11

      Teosophische Vorträge des Dr. Rudolf Steiner Berlin. Retorische Wirkung: Behagliche Besprechung der Einwände der Gegner, der Zuhörer staunt über diese starke Gegnerschaft, weitere Ausführung und Belobung dieser Einwände, der Zuhörer geräth in Sorge, völlige Versenkung in diese Einwände als gebe es sonst nichts, der Zuhörer hält jetzt eine Widerlegung überhaupt für unmöglich und ist mit einer flüchtigen Beschreibung der Verteidigungsmöglichkeit mehr als zufriedengestellt.
      Dieser rhetorische Effekt entspricht übrigens der Vorschrift der devotionellen Stimmung. – Dauerndes Anschauen der Fläche der vorgehaltenen Hand. – Auslassen des Schlußpunktes. Im allgemeinen fängt der gesprochene Satz mit seinem großen Anfangsbuchstaben beim Redner an, biegt sich in seinem Verlaufe so weit er kann zu den Zuhörern hinaus und kehrt mit dem Schlußpunkt zu dem Redner zurück. Wird aber der Punkt ausgelassen, dann weht der nicht mehr gehaltene Satz unmittelbar mit ganzem Atem den Zuhörer an.
    früher Vortrag Loos und Kraus.
      Wir sind jetzt fast gewöhnt, in westeuropäischen Erzählungen, sobald sie nur einige Gruppen von Juden umfassen wollen, unter oder über der Darstellung gleich auch die Lösung der Judenfrage zu suchen und zu finden. In den Jüdinnen nun wird eine solche Lösung nicht gezeigt ja nicht einmal vermuthet, denn gerade jene Personen, die sich mit solchen Fragen beschäftigen stehen in der Erzählung weiter vom Mittelpunkt ab, dort wo die Ereignisse sich schon rascher drehn, so daß wir sie zwar noch genau beobachten können, aber keine Gelegenheit mehr finden, um von ihnen eine ruhige Auskunft über ihre Bestrebungen zu erhalten. Kurz entschlossen erkennen wir darin einen Mangel der Erzählung und fühlen uns zu einer solchen Ausstellung umso mehr berechtigt, als heute seit dem Dasein

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