Tagebücher: 1909-1923
sich die Unterhaltung nach seinen Bedürfnissen einrichte, wobei ihm öfters das alte Mädchen, welches das Bier holte, als eine Mahnung erschien. Gelacht wurde aber so viel an diesen Abenden, daß Max auf dem Nachhauseweg sagte, dieses ewige Lachen sei eigentlich bedauerlich, weil man dadurch an alle ernsten Sachen vergesse, von denen doch jeder gerade genug zu tragen hätte. Während man lache denke man für den Ernst sei noch Zeit genug. Das sei aber nicht richtig, denn der Ernst stelle natürlich größere Ansprüche an den Menschen und es sei doch klar, daß man in Gesellschaft der Freunde auch größeren Ansprüchen zu genügen fähig sei als allein. Lachen solle man im Bureau, weil man dort nicht mehr zustandebringe. Diese Meinung war gegen Robert gerichtet, der in seinem in dem alten durch ihn sich verjüngenden Kunstverein viel arbeitete und gleichzeitig die komischesten Dinge bemerkte, mit denen er seine Freunde unterhielt.
Schon wenn er anfieng verließen die Freunde ihre Plätze, stellten sich zu ihm oder setzten sich auf den Tisch und lachten besonders Max und Franz so selbstvergessen, daß Samuel alle Gläser auf ein Seitentischchen hinübertrug. War man vom Erzählen ermüdet setzte sich Max mit plötzlich neuer Kraft zum Klavier und spielte, während Robert und Samuel ihm zur Seite auf dem Bänkchen saßen, Franz dagegen der nichts von Musik verstand, allein am Tisch Samuels Ansichtskartensammlung durchsah oder die Zeitung las. Wenn die Abende wärmer wurden und das Fenster schon offen bleiben konnte, kamen wohl alle vier zum Fenster und sahen die Hände auf dem Rücken in die Gasse hinunter ohne sich von dem freilich schwachen Verkehr in ihrer Unterhaltung beirren zu lassen. Nur hie und da gieng einer zum Tisch zurück, um einen Schluck zu machen, oder zeigte auf die Lockenfrisuren zweier Mädchen, die unten vor ihrer Weinstube saßen oder auf den Mond, der sie leicht überraschte oder Max beschrieb das, was er erzählte, mit ausgespannten Fingern draußen in der Luft über die Schulter des andern weg, bis endlich Franz sagte, es sei kühl, man solle das Fenster schließen. Im Sommer trafen sie einander manchmal in einem öffentlichen Garten, setzten sich an einen Tisch ganz am Rande, wo es dunkler war, tranken einander zu und merkten im Gespräch die Köpfe beisammen das ferne Blasorchester kaum. Arm in Arm, in gleichem Schritt giengen sie dann durch die Anlagen nach Hause. Die zwei am Rande drehten die Stöckchen oder schlugen in die Gebüsche, Robert [Man denkt man beschreibt ihn richtig, aber es ist nur angenähert und wird vom Tagebuch korrigiert.] forderte sie zum Singen auf, sang dann aber allein gut für vier, der zweite in der Mitte fühlte sich dabei besonders sicher aufgehoben. An einem solchen Abend sagte Franz und drückte seine zwei Nachbarn näher an sich, es wäre doch so schön, beisammen zu sein, daß er nicht verstehen könne, warum sie nur einmal in der Woche zusammenkommen, während es doch sicher leicht einzurichten wäre, wenn nicht öfters, so wenigstens zweimal wöchentlich einander zu sehn warum nicht lieber zweimal. Alle waren dafür, selbst der vierte der von außen her Franzens leises Sprechen nur undeutlich verstanden hatte. Ein solches Vergnügen sei sicher die kleine Mühe wert, die es hie und da einem machen würde. Franz schien es als bekomme er zur Strafe dafür daß er ungebeten für alle rede, eine hohle Stimme. Aber er ließ nicht ab. Und wenn einer einmal wirklich nicht kommen könne, so sei es eben sein Schade und er könne nächstens getröstet werden, aber müßten deshalb die andern auf einander verzichten, seien nicht drei für einander genug und wenn es sein muß auch zwei. Natürlich, natürlich sagten alle. Am Rande löste sich Samuel los und gieng knapp vor den 3 andern, weil sie so einander näher waren. Dann aber schien es ihm wieder nicht so und er hieng sich lieber ein. Robert machte einen Vorschlag: Wir kommen jede Woche zusammen und lernen italiänisch. Italiänisch zu lernen sind wir entschlossen denn schon voriges Jahr haben wir in dem kleinen Stückchen Italien, wo wir waren, gesehn, daß unser Italienisch nur dazu ausreicht, nach dem Weg zu fragen, wenn wir uns ihr erinnert Euch zwischen den Weingartenmauern der Campagna verirrt hatten. Und selbst dazu hat es doch nur unter großer Anstrengung der Gefragten ausgereicht. Lernen müssen wir also wenn wir heuer wieder nach Italien wollen. Da hilft nichts. Und ist es da nicht das Beste zusammen
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