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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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wichtige Meldung. Wenn sie sie nicht nimmt, gebe ich sie sofort einer andern Zeitung. Es ist höchste Zeit. " Da aber Kisch nicht dort ist, läute ich ab, ohne etwas zu verraten.
    Am Abend gehe ich zur Bohemia und lasse den Redakteur Kisch herausrufen. Ich erzähle ihm die Geschichte, aber er will sie nicht veröffentlichen. "Die Bohemia, sagt er, kann so etwas nicht machen, das wäre ein Skandal und den können wir nicht wagen, weil wir abhängig sind. Geben Sie es einem Advokaten, das ist das Beste. "
    Wie ich von der Bohemia kam habe ich Sie getroffen und frage Sie also um Rat.
    "Ich rate Ihnen die Sache im Guten beizulegen. ".
    Ich habe mir ja auch gedacht, daß es besser wäre. Sie ist ja eine Frau. Frauen haben keine Seele sagt Mohamet mit Recht.
    Zu verzeihen wäre auch menschlicher, goethischer.
    "Gewiß. Und dann müssen Sie auch auf den Recitationsabend nicht verzichten, der doch sonst verloren wäre. "
    "Was soll ich aber jetzt machen"
    "Sie gehn morgen hin und sagen, daß Sie diesmal noch unbewußte Beeinflussung annehmen wollen. "
    "Das ist sehr gut. So werde ich es wirklich machen"
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    "Auf die Rache müssen Sie deshalb noch nicht verzichten. Sie lassen einfach den Aufsatz anderswo drucken und schicken ihn dann der Frau D. mit einer schönen Widmung. "
    "Das wird die beste Strafe sein. Ich lasse es im Deutschen Abendblatt drucken. Das nimmt es mir; da habe ich keine Sorge.
    Ich verlange einfach keine Bezahlung. "
    Dann reden wir von seinem Schauspielertalent. Ich meine er sollte sich doch ausbilden lassen. "Ja da haben Sie Recht. Aber wo? Wissen Sie vielleicht wo man das lernen kann?" Ich sage: Das ist schwer. Ich kenne mich da nicht aus. Er: Das macht ja nichts. Ich werde den Kisch fragen. Der ist Journalist und hat da viele Beziehungen. Der wird mir schon gut raten. Ich werde ihn einfach antelephonieren, erspare ihm und mir den Weg und erfahre alles.
    Und mit der Frau D. machen Sie es so wie ich es Ihnen geraten habe?
    "Ja, ich habe es nur vergessen; wie haben Sie es mir geraten?"
    Ich wiederhole meinen Rat.
    "Gut so werde ich es machen. " Er geht ins Kafe Corso ich nach Hause mit der Erfahrung, wie erfrischend es ist, mit einem vollkommenen Narren zu reden. Ich habe fast nicht gelacht, sondern war nur ganz aufgeweckt.
    Das wehmüthige nur auf den Firmatafeln gebräuchliche
    "vormals"
    2 III 12 Wer bestätigt mir die Wahrheit oder
    Wahrscheinlichkeit dessen, daß ich nur infolge meiner litterarischen Bestimmung sonst interesselos und infolge dessen herzlos bin.
    3 III 12. Den 28. II bei Moissi. Widernatürlicher Anblick. Er sitzt scheinbar ruhig, hat womöglich die gefalteten Hände zwischen den Knien, die Augen in dem frei vor ihm liegenden Buch und läßt seine Stimme über uns kommen mit dem Athem eines Laufenden. – Gute Akustik des Saales. Kein Wort verliert
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    sich oder kommt auch nur im Hauch zurück, sondern alles vergrößert sich allmählich als wirke unmittelbar die längst anders beschäftigte Stimme noch nach, es verstärkt sich nach der ihm mitgegebenen Anlage und schließt uns ein. – Die Möglichkeiten der eigenen Stimme die man hier sieht. Sowie der Saal für Moissis Stimme, arbeitet seine Stimme für unsere.
    Unverschämte Kunstgriffe und Überraschungen, bei denen man auf den Boden schauen muß und die man selbst niemals machen würde: Singen einzelner Verse gleich im Beginn z. B. Schlaf Mirjam mein Kind, ein Herumirren der Stimme in der Melodie; rasches Ausstoßen des Mailiedes, scheinbar wird nur die Zungenspitze zwischen die Worte gesteckt; Teilung des Wortes November-Wind, um den "Wind" hinunterstoßen und aufwärts pfeifen lassen zu können. – Schaut man zur Saaldecke, wird man von den Versen hochgezogen. – Goethes Gedichte unerreichbar für den Recitator, deshalb kann man aber nicht gut einen Fehler bei diesem Recitieren aussetzen, weil jedes zum Ziele hinarbeitet. – Große Wirkung als er dann bei der Zugabe
    "Regenlied" von Shakespeare, aufrecht stand, frei vom Text war, das Taschentuch in den Händen spannte und
    zusammendrückte und mit den Augen glänzte. – Runde Wangen und doch kantiges Gesicht. Weiches Haar mit weichen Handbewegungen immer wieder gestrichen. – Die begeisterten Kritiken, die man über ihn gelesen hat, nützen ihm in unserer Meinung nur bis zum ersten Anhören, dann verwickelt er sich in sie und kann keinen reinen Eindruck hervorbringen. – Diese Art des sitzenden Recitierens mit dem Buch vor sich erinnert ein wenig an das

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