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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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bewährt hat, gleic hzeitig aber dumm und ein Kind geblieben ist, indem er sich hat so betrügen lassen. – Mit dem Kind, von dem im ersten Absatz die Rede ist, ist eine Kousine vom Lande gemeint, die gegenwärtig bei seiner Mutter wohnt. –
    Besonders überzeugend wird aber das Plagiat durch einen Umstand bewiesen, auf den er allerdings erst nach längerer Überlegung gekommen ist: "Das Kind als Schöpfer" ist auf der ersten Seite der Unterhaltungsbeilage, auf der dritten aber ist eine kleine Geschichte von einer gewissen "Feldstein". Der Name ist offenbar Pseudonym. Nun muß man nicht diese ganze Geschichte lesen, es genügt ein Überfliegen der ersten Zeilen und man weiß sofort, daß hier die Lagerlöf in einer unverschämten Weise nachgeahmt ist. Die ganze Geschichte macht es noch deutlicher. Was bedeutet das? Das bedeutet daß diese Feldstein oder wie sie heißt, eine Kreatur der Durege ist, daß sie bei ihr die "Gutsgeschichte" gelesen hat, die er hingebracht hat, daß sie diese Lektüre zum Schreiben dieser Geschichte verwendet hat und daß ihn also beide Frauenzimmer eine auf der 1.) die andere auf der 3ten Seite der Unterhaltungsbeilage ausnützen. Natürlich kann jeder auch aus eigenem Antrieb die Lagerlöf lesen und nachahmen, aber hier ist doch sein Einfluß zu offenbar. (Er schlägt das eine Blatt öfters hin und her)
    Montag mittag gleich nach Bankschluß gieng er natürlich zur Frau D. Sie öffnet nur eine Spalte der Wohnungstüre, sie ist ganz ängstlich: "Aber, Herr Reichmann warum kommen Sie mittag. Mein Mann schläft. Ich kann Sie jetzt nicht hereinlassen." "Frau D. Sie müssen mich unbedingt hineinlassen. Es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit."
    Sie sieht, ich mache Ernst und läßt mich ein. Der Mann war ja
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    bestimmt nicht zuhause. In einem Nebenzimmer sehe ich auf dem Tisch mein Manuscript und mache mir gleich meine Gedanken. "Frau D. was haben Sie mit meinem Manuscript gemacht. Sie haben es ohne meine Zustimmung ins Tagblatt gegeben. Wieviel Honorar haben Sie bekommen?" Sie zittert, sie weiß nichts, hat keine Ahnung, wie es in die Zeitung hat kommen können. J’accuse Frau D. sage ich, halb scherzend aber doch so, daß sie meine wahre Stimmung merkt und dieses j’accuse Frau D. wiederhole ich die ganze Zeit, während ich dort bin, damit sie es sich merkt und sage es noch beim Abschied in der Tür mehrere Male. Ihre Angst verstehe ich ja gut. Wenn ich es bekanntmache oder sie klage, ist sie ja unmöglich, muß aus dem Frauenfortschritt heraus
    U. S. W.
    Von ihr gehe ich direkt in die Redaktion des Tagblatt und lasse den Redakteur Löw herausrufen. Er kommt natürlich ganz bleich heraus, kann kaum gehn. Trotzdem will ich nicht gleich auf meine Sache losgehn und ihn auch zuerst prüfen. Ich frage ihn also "Herr Löw, sind Sie Zionist?" (Denn ich weiß, daß er Zionist war) "Nein" sagt er. Ich weiß genug, er muß sich also vor mir verstellen. Jetzt frage ich nach dem Aufsatz. Wieder unsicheres Reden. Er weiß nichts, hat mit der
    Unterhaltungsbeilage nichts zu tun, wird wenn ich es wünschte den betreffenden Redakteur holen. Herr Wittmann kommen Sie her, ruft er und ist froh, daß er wegkann. Wittmann kommt, wieder ganz bleich. Ich frage: "Sind Sie der Redakteur der Unterhaltungsbeilage." Er: Ja. Ich sage nur "j’accuse" und gehe.
    In der Bank läute ich sofort telephonisch die "Bohemia" an.
    Ich will ihr die Geschichte zur Veröffentlichung übergeben. Es kommt aber keine rechte Verbindung zustande. Wissen Sie warum? Die Tagblattredaktion ist ja nahe bei der Hauptpost, da können sie vom Tagblatt aus leicht die Verbindungen nach Belieben beherrschen, aufhalten und herstellen. Und tatsächlich höre ich immerfort im Telephon undeutliche Flüsterstimmen
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    offenbar von Tagblattredakteuren. Sie haben ja ein großes Interesse, diese telephonische Verbin dung nicht zuzulassen. Da höre ich (natürlich ganz undeutlich) wie die einen auf das Fräulein einreden, daß sie die Verbindung nicht herstellen soll, während die andern schon mit der Bohemia verbunden sind und sie von der Aufnahme meiner Geschichte abhalten wollen.
    "Fräulein" schreie ich ins Telephon hinein "wenn Sie jetzt nicht sofort die Verbindung herstellen, klage ich bei der Postdirektion.
    " Die Kollegen in der Bank lachen rings herum, wie sie mich so energisch mit dem Telephonfräulein reden hören. Endlich habe ich die Verbindung. "Rufen Sie den Redakteur Kisch. Ich habe für die Bohemia eine äußerst

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