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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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sehn.
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    Augenblicksbeobachtungen gibt es daher wenige, meist nur in Innenräumen wo bestimmte Menschen gleich grenzenlos einem vor den Augen aufbrausen z. B. österreichische Officiere in Heidelberg, dagegen ist die Stelle von den Männern in Wiesenheim der Landschaft näher " sie tragen blaue Röcke und mit gewirkten Blumen verzierte weiße Westen" (nach dem Gedächtnis citiert). Viel über den Rheinfall bei Schaffhausen niedergeschrieben mitten drin in größeren Buchstaben "Erregte Ideen"
    Cabaret Lucerna. Lucie König stellt Photographien mit alten Frisuren aus. Abgeschabtes Gesicht. Manchmal gelingt ihr etwas mit der von unten her gehobenen Nase, mit dem
    emporgehaltenem Arm und einer Wendung aller Finger.
    Waschlappiges Gesicht. – Longhen (Maler Pittermann) mimische Scherze. Eine Leistung, die offenbar ohne Lust ist, und doch so lustlos nicht gedacht werden kann, da sie doch dann nicht jeden Abend durchgeführt werden könnte, besonders da sie selbst bei ihrer Erfindung so lustlos war, daß sich kein genügendes Schema ergeben hat, welches das genug häufige Eintreten des ganzen Menschen ersparen würde. Hübscher Clownsprung über einen Sessel weg ins Leere der
    Seitenkoulisse. Das Ganze erinnert an eine Vorführung in einer Privatgesellschaft wo man einer mühseligen unbedeutenden Leistung aus dem geselligen Bedürfnis heraus besonders applaudiert, um mit Rücksicht auf das Minus der Leistung durch das Plus des Beifalls etwas glattes Abgerundetes zu erhalten. –
    Sänger Vasata. So schlecht, daß man sich in seinem Anblick verliert. Aber weil er ein starker Mensch ist, hält er doch mit einer sicher nur mir zum Bewußtsein kommenden tierischen Kraft die Aufmerksamkeit des Publikums halbwegs gesammelt.
    – Grünbaum wirkt mit der angeblich nur scheinbaren Trostlosigkeit seiner Existenz. – Odys Tänzerin. Steife Hüften.
    Richtige Fleischlosigkeit. Rote Knie passen mir zum Tanz
    "Frühlingsstimmung".
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    30. IX 1911
    Das Mädchen im Nebenzimmer vorgestern (Helli Haas). Ich lag auf dem Kanapee und hörte auf dem Rande des Halbschlafs ihre Stimme. Sie kam mir besonders stark angezogen vor, nicht nur in ihre Kleider, sondern auch in das ganze Nebenzimmer, nur ihre ge formte, nackte runde, starke dunkle Schulter, die ich im Bad gesehen hatte, kam gegen ihre Kleider auf. Einen Augenblick schien sie mir zu dampfen und das ganze Nebenzimmer mit ihren Dämpfen zu füllen. Dann stand sie im Mieder von aschgrauer Farbe, das unten so weit vom Körper abstand, daß man sich darauf setzen und so gewissermaßen reiten konnte.
    Noch Kubin: Die Gewohnheit die letzten Worte des andern auf jeden Fall in billigendem Tone nachzusprechen wenn sich auch durch die daran gesponnene eigene Rede herausstellt, daß man mit dem andern durchaus nicht übereinstimmt. Ärgerlich. –
    Im Anhören seiner vielen Geschichten kann man vergessen, was er wert ist. Plötzlich wird man daran erinnert und erschrickt. Es war davon die Rede, daß ein Lokal, in das wir gehn wollten, gefährlich sei; er sagte, da gehe er nicht hin; ich fragte ihn, ob er ängstlich sei darauf antwortete er und war zudem noch in mich eingehängt: Natürlich, ich bin jung und habe noch viel vor. –
    Den ganzen Abend sprach er oft und meiner Meinung nach ganz ernsthaft von meiner und seiner Verstopfung. Gegen Mitternacht sah er als ich meine Hand vom Tischrand hängen ließ, ein Stück meines Armes und rief: Aber Sie sind ja wirklich krank.
    Behandelte mich von da ab noch viel nachgiebiger und wehrte auch später den andern, die mir zureden wollten, noch mit ins B.
    zu gehn. Als wir uns schon verabschiedet hatten, rief er mir noch aus der Ferne zu "Regulin! "
    Tucholski und Safranski. Das gehauchte Berlinerisch, in dem die Stimme Ruhepausen braucht, die von "nic h" gebildet werden. Der erste ein ganz einheitlicher Mensch von 21 Jahren.
    Vom gemäßigten und starken Schwingen des Spazierstocks, das
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    die Schulter jugendlich hebt, angefangen bis zum überlegten Vergnügen und Mißachten seiner eigenen schriftstellerischen Arbeiten. Will Verteidiger werden, sieht nur wenige Hindernisse
    – gleichzeitig mit der Möglichkeit ihrer Beseitigung: seine helle Stimme die nach dem männlichen Klang der ersten durchredeten halben Stunde angeblich mädchenhaft wird – Zweifel an der eigenen Fähigkeit zur Pose, die er sich aber von größerer Welterfahrung erhofft – endlich Angst vor einer Verwandlung ins Weltschmerzlerische, wie er es an ältern Berliner Juden

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