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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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oder jetzt seine Braut besuchte, am Abend noch ein Weilchen jeder mit seiner Zeitung im gemeinsamen
    Wohnzimmer.
    Georg staunte darüber, wie dunkel das Zimmer des Vaters selbst an diesem sonnigen Vormittag war. Einen solchen Schatten warf also die hohe Mauer, die sich jenseits des schmalen Hofes erhob. Der Vater saß beim Fenster in einer Ecke, die mit verschiedenen Andenken an die selige Mutter ausgeschmückt war, und las die Zeitung, die er seitlich vor den Augen hielt, wodurch er irgendeine
    Augenschwäche
    auszugleichen suchte. Auf dem Tisch standen die Reste des Frühstücks, von dem nicht viel verzehrt zu sein schien. Ah Georg sagte der Vater und gieng ihm gleich ent gegen. Sein schwerer Schlafrock öffnete sich im Gehn, die Enden umflatterten ihn, mein Vater ist noch immer ein Riese sagte sich Georg. Hier ist es ja unerträglich dunkel sagte er dann. Ja dunkel ist es schon antwortete der Vater. Das Fenster hast Du auch geschlossen?
    Ich habe es lieber so.
    Es ist ja ganz warm draußen sagte Georg wie im Nachhang zu dem frühern und setzte sich.
    Der Vater räumte das Frühstücksgeschirr ab und stellte es auf einen Kasten.
    Ich wollte Dir eigentlich nur sagen fuhr Georg fort, der den Bewegungen des alten Mannes ganz verloren folgte, daß ich nun doch nach Petersburg meine Verlobung angezeigt habe. Er zog den Brief ein wenig aus der Tasche und ließ ihn wieder zurückfallen.
    Wieso nach Petersburg? fragte der Vater.
    Meinem Freunde doch sagte Georg und suchte des Vaters Augen. Im Geschäft ist er doch ganz anders dachte er. Wie er hier breit sitzt und die Arme über der Brust kreuzt.
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    Ja. – Deinem Freunde. sagte der Vater mit Betonung.
    Du weißt doch Vater, daß ich ihm meine Verlobung zuerst verschweigen wollte. Aus Rücksichtnahme, aus keinem andern Grunde sonst. Du weißt selbst, er ist ein schwieriger Mensch.
    Ich sagte mir, von anderer Seite kann er von meiner Verlobung wohl erfahren, wenn das auch bei seiner einsamen Lebensweise kaum wahrscheinlich ist – das kann ich nicht hindern – aber von mir selbst soll er es nun einmal nicht erfahren.
    Und jetzt hast Du es Dir wieder anders überlegt? fragte der Vater und legte die große Zeitung auf den Fensterbord und auf die Zeitung die Brille, die er mit der Hand bedeckte.
    Ja jetzt habe ich es mir wieder überlegt. Wenn er mein guter Freund ist sagte ich mir dann ist meine glückliche Verlobung auch für ihn ein Glück. Und deshalb habe ich nicht mehr gezögert es ihm anzuzeigen. Ehe ich jedoch den Brief einwarf, wollte ich es Dir sagen.
    Georg sagte der Vater und zog den zahnlosen Mund in die Breite hör einmal. Du bist wegen dieser Sache zu mir gekommen um Dich mit mir zu beraten. Das ehrt Dich ohne Zweifel. Aber es ist nichts, es ist ärger als nichts, wenn Du mir jetzt nicht die volle Wahrheit sagst. Ich will nicht Dinge aufrühren die nicht hierhergehören. Seit dem Tode unserer teueren Mutter sind gewisse unschöne Dinge vorgegangen.
    Vielleicht kommt auch für sie die Zeit und vielleicht kommt sie früher als wir denken. Im Geschäft entgeht mir manches, es wird mir vielleicht nicht verborgen – ich will jetzt gar nicht die Annahme machen daß es mir verborgen wird – ich bin nicht mehr kräftig genug, mein Gedächtnis läßt nach, ich habe nicht mehr den Blick für alle die vielen Sachen. Das ist erstens der Ablauf der Natur und zweitens hat mich der Tod unseres Mütterchens viel mehr niedergeschlagen als Dich. – Aber weil wir gerade bei dieser Sache halten, bei diesem Briefe, so bitte ich Dich Georg täusche mich nicht. Es ist eine Kleinigkeit, es ist
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    nicht des Athems wert, also täusche mich nicht. Hast Du wirklich diesen Freund in Petersburg?
    Georg stand verlegen auf. Lassen wir meine Freunde sein.
    Tausend Freunde ersetzen mir nicht meinen Vater. Weißt Du was ich glaube? Du schonst Dich nicht genug. Aber das Alter verlangt seine Rechte. Du bist mir im Geschäft unentbehrlich, das weißt Du ja sehr genau, aber wenn das Geschäft Deine Gesundheit bedrohen sollte, sperre ich es noch morgen für immer. Das geht nicht. Wir müssen da eine andere Lebensweise für Dich einführen. Aber von Grund aus. Du sitzt hier im Dunkel und im Wohnzimmer hättest Du schönes Licht. Du nippst vom Frühstück statt Dich ordentlich zu stärken. Du sitzt bei geschlossenem Fenster und die Luft würde Dir so gut tun.
    Nein mein Vater. Ich werde den Arzt holen und seinen Vorschriften werden wir folgen. Die Zimmer werden wir wechseln, Du wirst ins

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