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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Vorderzimmer ziehn, ich hierher. Es wird keine Veränderung für Dich sein, alles wird mit übertragen werden. Aber das alles hat Zeit, jetzt lege Dich noch ein wenig ins Bett, Du brauchst unbedingt Ruhe. Komm ich werde Dir beim Ausziehn helfen, Du wirst sehn, ich kann es. Oder willst Du gleich ins Vorderzimmer gehn, dann legst Du Dich vorläufig in mein Bett. Das wäre brigens sehr vernünftig.
    Georg stand knapp neben seinem Vater, der den Kopf mit dem struppigen weißen Haar auf die Brust hatte sinken lassen.
    "Georg" sagte der Vater leise ohne Bewegung.
    Georg kniete sofort neben dem Vater nieder, er sah die Pupillen in dem müden Gesicht des Vaters übergroß in den Winkeln der Augen auf sich gerichtet.
    Du hast keinen Freund in Petersburg. Du bist immer ein Spaßmacher gewesen und hast Dich leider auch mir gegenüber nicht zurückgehalten. Wie solltest Du denn gerade dort einen Freund haben. Das kann ich gar nicht glauben.
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    "Denk doch nur einmal nach Vater" sagte Georg, hob den Vater vom Sessel und zog ihm wie er nun doch recht schwach dastand, den Schlafrock aus. Jetzt wird es bald drei Jahre her sein, da war ja mein Freund bei uns zu Besuch. Ich erinnere mich noch, daß Du ihn nicht besonders gern hattest. Wenigstens zweimal habe ich ihn vor Dir verläugnet, trotzdem er gerade bei mir im Zimmer saß. Ich konnte ja Deine Abneigung gegen ihn ganz gut verstehn, mein Freund hat seine Eigentümlichkeiten.
    Aber dann hast Du Dich doch wieder auch ganz gut mit ihm unterhalten. Ich war damals noch so stolz darauf, daß Du ihm zuhörtest, nicktest und fragtest. Wenn Du nachdenkst, mußt Du Dich erinnern. Er erzählte damals unglaubliche Geschichten von der russischen Revolution. Wie er z. B. auf einer Geschäftsreise in Kiew bei einem Tumult einen armenischen Geistlichen auf einem Balkon gesehen hatte, der sich ein breites Blutkreuz in die flache Hand schnitt, diese Hand erhob und die Menge anrief. Du hast ja selbst diese Geschichte hie und da wiedererzählt.
    Währenddessen war es Georg gelungen, den Vater wieder niederzusetzen und ihm die Trikothosen, die er über den weißen Unterhosen trug, sowie die Socken vorsichtig auszuziehn. Beim Anblick der nicht besonders reinen Wäsche, machte er sich Vorwürfe, den Vater vernachlässigt zu haben. Es wäre sicherlich auch seine Pflicht gewesen über den Wäschewechsel seines Vaters zu wachen. Er hatte mit seiner Braut noch nicht ausdrücklich darüber gesprochen, wie sie die Zuk unft des Vaters einrichten wollten, denn sie hatten stillschweigend vorausgesetzt, daß der Vater allein in der alten Wohnung bleiben würde. Doch jetzt entschloß er sich kurz mit aller Bestimmtheit, den Vater in seinen künftigen Haushalt mitzunehmen. Es schien ja fast wenn man genauer zusah, daß die Pflege, die dort dem Vater bereitet werden sollte, zu spät kommen könnte.
    Auf seinen Armen trug er den Vater ins Bett. Ein
    schreckliches Gefühl hatte er, als er während der paar Schritte
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    zum Bett hin merkte, daß der Vater mit seiner Uhrkette spiele.
    Er konnte ihn nicht gleich ins Bett legen, so fest hielt er sich an dieser Uhrkette
    Kaum war er aber im Bett, schien alles gut. Er deckte sich selbst zu und zog dann die Bettdecke noch besonders weit über die Schulter hinauf. Er sah nicht unfreundlich zu Georg hinauf.
    Nicht wahr Du erinnerst Dich schon an ihn fragte Georg und nickte ihm aufmunternd zu.
    "Bin ich jetzt gut gedeckt" fragte der Vater als könne er nicht nachschauen, oab die Füße genug bedeckt seien.
    Es gefällt Dir also schon im Bett sagte Georg und legte das Deckzeug besser um ihn
    Bin ich gut zugedeckt fragte der Vater noch einmal und schien auf die Antwort besonders aufzupassen
    Sei nur ruhig, Du bist gut zugedeckt.
    Nein rief der Vater daß die Antwort an die Frage stieß, warf die Decke zurück mit einer Kraft, daß sie einen Augenblick im Flug sich ganz entfaltete und stand aufrecht im Bett, nur eine Hand hielt er leicht an den Plafond. "Du wolltest mich zudecken, das weiß ich mein Früchtchen aber zugedeckt bin ich noch nicht. Und ist es auch die letzte Kraft, genug für Dich, zu viel für Dich. Wohl kenn ich Deinen Freund. Er wäre ein Sohn nach meinem Herzen. Darum hast Du ihn auch betrogen die ganzen Jahre lang. Warum sonst? Glaubst Du ich habe nicht um ihn geweint? Darum sperrst Du Dich in Dein Bureau, niemand soll stören, der Chef ist beschäftigt nur damit Du Deine falschen Briefchen nach Rußland schreiben kannst. Aber den Vater muß

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