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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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glücklicherweise niemand lehren den Sohn zu durchschauen.
    Wie Du geglaubt hast, Du hättest ihn untergekriegt so untergekriegt, daß Du Dich mit Deinem Hintern daraufsetzen kannst und er rührt sich nicht, da hat sich mein Herr Sohn zum Heiraten entschlossen.
    -287-

    Georg sah zum Schreckbild seines Vaters auf. Der
    Petersburger Freund, den der Vater plötzlich so gut kannte, ergriff ihn wie noch nie. Verloren im weiten Rußland sah er ihn.
    An der Türe des leeren ausgeraubten Geschäftes sah er ihn.
    Zwischen den Trümmern der Regale, den zerfetzten Waren, den fallenden Gasarmen stand er gerade noch. Warum hatte er so weit wegfahren müssen.
    Aber schau mich an rief der Vater und Georg lief fast zerstreut zum Bett um alles zu fassen stockte aber in der Hälfte des Wegs.
    Weil sie die Röcke gehoben hat fieng der Vater zu flöten an weil sie die Röcke so gehoben hat, die widerliche Gans und er hob um das darzustellen, sein Hemd so hoch, daß man auf seinem Oberschenkel die Narbe aus seinen Kriegsjahren sah weil sie die Röcke so und so und so gehoben hat, hast Du Dich an sie heran gemacht und damit Du an ihr ohne Störung Dich befriedigen kannst, hast Du unserer Mutter Andenken geschändet, den Freund verraten und Deinen Vater ins Bett gesteckt, damit er sich nicht rühren kann. Aber kann er sich rühren oder nicht?
    Und er stand vollkommen frei und warf die Beine. Er strahlte vor Einsicht.
    Georg stand in einem Winkel, möglichst weit vom Vater. Vor einer langen Weile hat er sich fest entschlossen, alles vollkommen genau zu beobachten, damit er nicht irgendwie auf Umwegen, von hinten her, von oben herab gefangen werden könne. Jetzt erinnerte er sich wieder an den längst vergessenen Entschluß und vergaß ihn, wie man einen kurzen Faden durch ein Nadelöhr zieht.
    Aber der Freund ist nun doch nicht verraten rief der Vater und sein hin und her bewegter Zeigefinger bekräftigte es. Ich war sein Vertreter hier am Ort.
    -288-

    "Komödiant! " konnte sich Georg zu rufen nicht enthalten, erkannte sofort den Schaden und biß nur zu spät die Augen erstarrt in seine Zunge, daß er vor Schmerz einknickte.
    Ja freilich habe ich Komödie gespielt. Komödie, gutes Wort.
    Welcher andere Trost blieb dem alten verwitweten Vater. Sag –
    und für den Augenblick der Antwort sei Du noch mein lebender Sohn – was blieb mir übrig in meinem Hinterzimmer, verfolgt vom ungetreuen Personal alt bis in die Knochen. Und mein Sohn gieng im Jubel durch die Welt, schloß Geschäfte ab, die ich vorbereitet hatte, berpurzelte sich vor Vergnügen und gieng vor seinem Vater mit dem verschlossenen
    Gesicht eines
    Ehrenmanns davon. Glaubst Du ich hätte Dich nicht geliebt, ich, von dem Du aus giengst.
    Jetzt wird er sich vorbeugen dachte Georg. Wenn er fiele und zerschmetterte! Dieses Wort durchzischte seinen Kopf.
    Der Vater beugte sich vor, fiel aber nicht. Da Georg sich nicht näherte, wie er erwartet hatte, erhob er sich wieder.
    Bleib wo Du bist, ich brauch Dich nicht. Du denkst Du hast noch die Kraft hierherzukommen und hältst Dich bloß zurück, weil Du so willst. Daß Du Dich nicht irrst. Ich bin noch immer der viel Stärkere. Allein hätte ich vielleicht zurückweichen müssen, aber so hat mir die Mutter ihre Kraft abgegeben, mit Deinem Freund habe ich mich herrlich verbunden, Deine Kundschaft habe ich hier in der Tasche.
    Sogar im Hemd hat er Taschen sagte sich Georg und glaubte, er könne ihn mit dieser Bemerkung in der ganzen Welt unmöglich machen. Nur einen Augenblick dachte er das denn immerfort vergaß er alles.
    Häng Dich nur in Deine Braut ein und komm mir entgegen.
    Ich fege sie Dir von der Seite weg, Du weißt nicht wie.
    Georg machte Grimassen, als glaube er das nicht. Der Vater nickte bloß die Wahrheit dessen, was er sagte beteurend in Georgs Ecke hin.
    -289-

    Wie hast Du mich doch heute unterhalten, als Du kamst und fragtest, ob Du Deinem Freund von der Verlobung schreiben sollst. Er weiß doch alles, dummer Junge, er weiß doch alles. Ich schreib ihm doch, weil Du vergessen hast, mir das Schreibzeug wegzunehmen. Darum kommt er schon seit Jahren nicht, er weiß ja alles hundertmal besser als Du selbst, Deine Briefe zerknüllt er ungelesen in der linken Hand, während er in der Rechten meine Briefe zum Lesen sich vorhält.
    Seinen Arm schwang er vor Begeisterung über dem Kopf.
    Er weiß alles tausendmal besser rief der Vater.
    Zehntausendmal sagte Georg, um den Vater lächerlich zu machen, aber noch in seinem Munde

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