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Tagebücher 1909-1923

Tagebücher 1909-1923

Titel: Tagebücher 1909-1923 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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Atem aus. Eigentlich müßte man sich fürchten aus dem Haus zu treten
    5 XII 13 Wie ich gegen meine Mutter wüte! Ich muß nur mit ihr zu reden anfangen, schon bin ich gereizt, schreie fast.
    O. leidet doch und ich glaube nicht daß sie leidet leiden kann, glaube es gegen meine bessere Einsicht nicht, glaube es nicht,
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    um ihr nicht beistehn zu müssen, was ich nicht könnte, denn ich bin auch gegen sie gereizt.
    An F. sehe ich äußerlich, wenigstens manchmal, nur einige zählbare kleine Einzelheiten. Dadurch wird ihr Bild so klar, rein, ursprünglich, umrissen und luftig zugleich.
    8. XII 13. Konstruktionen in Weiß’ Roman. Die Kraft sie zu beseitigen, die Pflicht, das zu tun. Ich leugne fast die Erfahrungen. Ich will Ruhe, Schritt für Schritt oder Lauf, aber nicht ausgerechnete Sprünge von Heuschrecken
    9 XII 13 Weiß "Galeere" Schwächung der Wirkung wenn der Ablauf der Geschichte beginnt. Die Welt ist überwunden und wir haben mit offenen Augen zugesehn. Also können wir uns ruhig umdrehn und weiterleben.
    Haß gegenüber aktiver Selbstbeobachtung. Seele ndeutungen, wie: Gestern war ich so undzwar deshalb, heute bin ich so und deshalb. Es ist nicht wahr, nicht deshalb und nicht deshalb und darum auch nicht so und so. Sich ruhig ertragen, ohne voreilig zu sein, so leben wie man muß, nicht sich hündisch umlaufen.
    Ich war im Gebüsch eingeschlafen. Ein Lärm weckte mich.
    Ich fand in meinen Händen ein Buch, in dem ich früher gelesen hatte. Ich warf es weg und sprang auf. Es war kurz nach Mittag, vor der Anhöhe, auf der ich war, breitete sich eine große Tiefebene aus mit Dörfern und Teichen und gleichförmigem hohen schilfartigem Buschwerk zwischen ihnen. Ich legte die Hände in die Hüften, durchsuchte alles mit den Augen und horchte dabei auf den Lärm
    10 XII (1913) Die Entdeckungen haben sich dem Menschen aufgedrängt.
    Das lachende, jungenhafte, listige, aufgelöste, Gesicht des Oberinspektors, das ich noch nie an ihm gesehen hatte und nur heute in einem Augenblick bemerkte, als ich eine Arbeit des Direktors ihm vorlas und zufällig von ihr aufsah. Er steckte
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    dabei auch mit einem Ruck der Schultern die rechte Hand in die Hosentasche, als wäre er ein anderer Mensch.
    Niemals ist es möglich alle Umstände zu bemerken und zu beurteilen, die auf die Stimmung eines Augenblicks einwirken und sogar in ihr wirken und endlich in der Beurteilung wirken, darum ist es falsch zu sagen, gestern fühlte ich mich gefestigt, heute bin ich verzweifelt. Solche Unterscheidungen beweisen nur, daß man Lust hat, sich zu beeinflussen und möglichst abgesondert von sich, versteckt hinter Vorurteilen und Phantasien zeitweilig ein künstliches Leben aufzuführen, so wie sich einmal einer in einem Winkel der Schenke, von einem kleinen Schnapsglas genügend versteckt, ausschließlich mit sich allein mit lauter falschen unbeweisbaren Vorstellungen und Träumen unterhält.
    Gegen Mitternacht stieg die Treppe zu der kleinen
    Singspielhalle ein junger Mann in einem engen mattgrauen karrierten leicht überschneiten Überzieher hinab. Er bezahlte am Kassentisch, hinter dem ein hindämmerndes Fräulein aufschreckte und ihn mit großen schwarzen Augen geradeaus ansah, und blieb dann ein Weilchen stehn um den Saal, der 3
    Stufen tief unter ihm lag zu überblicken.
    Fast jeden Abend gehe ich auf den Staatsbahnhof, heute, weil es regnete, gieng ich 1/2 Stunde in der Halle dort auf und ab.
    Der Bursch, der immerfort das Zuckerzeug aus den Automaten aß. Der Handgriff in die Tasche, aus der er eine Menge Kleingeld holt, das nachlässige Einwerfen in die Öffnung, das Lesen der Aufschriften während des Essens, das Hinunterfallen von einzelnen Stücken, die er vom schmutzigen Boden aufhebt und geradewegs in den Mund steckt. – Der ruhig kauende Mann, der am Fenster vertraulich mit einer Frau, einer Verwandten spricht.
    11 XII 13 In der Toynbeehalle den Anfang von Michael Kohlhaas gelesen. Ganz und gar mißlungen. Schlecht ausgewählt, schlecht vorgetragen, schließlich sinnlos im Text
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    herumgeschwommen. Musterhafte Zuhörerschaft. Ganz kleine Jungen in der ersten Reihe. Einer sucht seiner unschuldigen Langweile dadurch beizukommen, daß er die Mütze vorsichtig auf den Boden wirft und dann vorsichtig aufhebt und so öfters.
    Da er zu klein ist, um das vom Sitz aus auszuführen, muß er immer ein wenig vom Sessel sich abgleiten lassen. Wild und schlecht und unvorsichtig und unverständlich gelesen. Und am

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