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Tagebücher der Henker von Paris

Tagebücher der Henker von Paris

Titel: Tagebücher der Henker von Paris Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henri Sanson
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hatte, wetteiferte er mit Herrn von Blignac im Geschrei, Lachen und Quodlibets; er wiederholte mit Enthusiasmus alle Refrains, die der alte Soldat anstimmte, und man brauchte sie bloß einen Augenblick zu beobachten, um sich zu überzeugen, daß diese Herren allein den Lärm machten, der die tugendhaften Bürger von Dieppe so sehr ärgerte.
    Der dritte schien nicht in einer ebenso lärmsüchtigen Laune wie die beiden ersten zu sein.
    Er war ein Mann von fünfundzwanzig bis dreißig Jahren, mit schmalem und ernstem Gesicht. Ehe man noch die charakteristische Schönheit seiner Züge beobachtet hatte, staunte man schon über den Anflug von Melancholie, den sein Gesicht mitten unter den geräuschvollen Vergnügungen bewahrte, und man mußte sich fragen, welcher Kummer und welche frühzeitigen Schmerzen seine junge Stirn mit so vielen Falten bedeckt hatten.
    Wie Herr von Blignac gehörte er zum Regiment de la Boissière. Seine Figur gab in nichts der seines Kameraden nach, aber sie hatte Proportionen von Kraft, die dem letzteren mangelten. An der Breite der Schultern, der Wölbung der Brust, an dem, was man von dem Muskelspiele des jungen Offiziers gewahrte, sowie an dem langen blonden Haar, das ihm zu beiden Seiten des Hauptes niederfiel, erkannte man ebenso wie an der Durchsichtigkeit seiner Hautfarbe die untrüglichen Zeichen, welche die nordischen Rassen ihren Nachkommen hinterlassen haben.
    Herr von Blignac hatte soeben eine neue Flasche entkorkt; erfüllte sein Glas, ließ das rubinfarbige Getränk in dem Kristall funkeln, indem er es vor dem Lichte erhob und wieder senkte, dann kostete er mit dem nachdenklichen Entzücken eines Kenners.
    Der blonde Offizier, den die Geschwätzigkeit seines Kameraden seit einigen Augenblicken etwas zu beunruhigen schien, benutzte die kurze Pause, welche diese ernste Beschäftigung erforderte, beugte sich zu dem jungen Manne und sagte:
    »Du wirst also erst in einem Jahre nach Neu-Frankreich zurückkehren, Paul?«
    »Ja,« erwiderte der, den er Paul genannt hatte, »und dieses ganze Jahr will ich bei dir zubringen, mein guter Charles.«
    »Es wird uns sehr kurz vorkommen, aber deiner Mutter sehr lang werden, liebes Kind.«
    Eine lebhafte Bewegung malte sich auf dem Gesichte des Jünglings, aber Herr von Blignac ließ ihm nicht die Zeit, zu antworten. Diese Unterhaltung hatte schon die Ungeduld des würdigen Edelmannes erregt:
    »Gottes Tod, meine jungen Freunde, es scheint mir, daß, wenn ihr ein ganzes Jahr beisammen zuzubringen habt, euch die Zeit nicht fehlen wird, eure kleinen Geheimnisse auszutauschen, und ihr werdet mir die Bemerkung erlauben, daß es nicht recht passend ist, mich, nachdem ihr die Ehre meiner Gesellschaft verlangt habt, in meiner Ecke mit der Physiognomie einer Flasche, die man ausgetrunken hat, allein zu lassen. Dieser Vorwurf gilt Ihnen, Leutnant von Longval, denn Ihr Cousin, Herr Bertaut, würde gewiß nicht die Rücksichten vergessen, die man sich unter Edelleuten schuldig ist.«
    Der Offizier, den Herr von Blignac Herrn von Longval genannt und mit dem Titel Leutnant belegt hatte, zuckte die Achseln und erwiderte:
    »Erlauben Sie mir andererseits, mein lieber von Blignac, die wahre Lage unserer gegenseitigen Beziehungen wieder herzustellen. Vor vierzehn Tagen kam mein Cousin, Herr Paul Bertaut, aus Amerika an, und ohne sich Zeit zu nehmen, mich zu umarmen, reiste er denselben Abend weiter nach Paris, wo er Herrn von Mazarin die Depeschen des Gouverneurs von Kanada abzugeben hatte. Heute morgen kamen wir beide, Sie und ich, aus der Zitadelle, als derselbe Herr Bertaut vom Pferde stieg, um sich mir in die Arme zu werfen, und mir vorschlug, das Souper, das ihn im ›Klaren Anker‹ erwartete, mit ihm zu teilen. Soviel ich mich entsinne, waren Sie es, mein lieber Chevalier, der um die Ehre bat, einer der Unsrigen sein zu dürfen. Es war indessen ziemlich natürlich, vorauszusetzen, daß wir nach einer langen Trennung allein zu sein wünschten. Sie haben anders gedacht, wir beklagen uns nicht darüber, wenigstens aber klagen Sie sich nur selbst der Unannehmlichkeit Ihrer Lage an.«
    Ein Zornesblitz schoß aus den Augen des Gaskogners; mit einer heftigen Bewegung ergriff er sein Glas, aber fast in demselben Augenblicke unterdrückte er mit einer Schnelligkeit, die unter einer frivolen, fast grotesken Außenseite eine gewisse Willenskraft offenbart, den drohenden Ausdruck auf seinem Gesicht, und seine Hand änderte seinen Entschluß dahin ab, daß er das Glas an

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