Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tagebücher

Tagebücher

Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
Vom Netzwerk:
durfte man ja das Plagiat nicht auf den ersten Blick erkennen und zweitens war der 32 Seiten lange Aufsatz für die Zeitung zu groß.

    Auf meine Frage, ob er mir nicht Stellen zeigen wolle, die sich decken, da dieses mich besonders interessieren würde und da ich erst dann ihm einen Rat für sein Verhalten geben kann, fängt er seinen Aufsatz zu lesen an, schlägt eine andere Stelle auf, blättert, ohne zu finden und sagt schließlich, daß alles abgeschrieben sei. Da stehe z. B. in der Zeitung: Die Seele des Kindes sei ein unbeschriebenes Blatt und "unbeschriebenes Blatt" komme auch in seinem Aufsatz vor. Oder der Ausdruck "benamset" sei auch abgeschrieben, wie käme man denn sonst auf "benamset". Aber einzelne Stellen kann er nicht vergleichen. Es sei zwar alles abgeschrieben, aber eben vertuscht, in anderer Reihenfolge, gekürzt und mit kleinen fremden Zutaten.

    Ich lese laut einige auffallendere Stellen aus der Zeitung. Kommt das im Aufsatz vor? Nein. Das?
    Nein. Das? Nein. Ja aber das sind eben die aufgesetzten Stellen. Im Innern ist alles alles abgeschrieben. Aber der Beweis wird, fürchte ich, schwer. Er wird es schon beweisen mit Hilfe eines geschickten Advokaten, dazu sind ja Advokaten da. (Er sieht diesem Beweis wie einer ganz neuen von dieser Angelegenheit vollständig abgetrennten Aufgabe entgegen und ist stolz darauf, daß er sich ihre Bewältigung zutraut)

    Daß es sein Aufsatz ist, sieht man übrigens schon daraus, daß er in 2 Tagen gedruckt war. Sonst dauert es doch zumindest 6 Wochen, bis eine angenommene Sache in den Druck kommt. Hier aber war natürlich Eile nötig, damit er nicht dazwischenkomme. Darum haben 2 Tage genügt. -
    Außerdem heißt der Zeitungsaufsatz "Das Kind als Schöpfer". Das hat eine deutliche Beziehung zu ihm und außerdem ist es eine Stichelei. Mit dem "Kind" ist nämlich er gemeint, denn man hat ihn früher für ein "Kind" für "dumm" gehalten (er war es wirklich nur während der Militärzeit, er hat 1
    1/2 Jahre gedient) und will nun mit dem Titel sagen, daß er ein Kind etwas so Gutes wie den Aufsatz zustande gebracht hat, daß er sich also zwar als Schöpfer bewährt hat, gleichzeitig aber dumm und ein Kind geblieben ist, indem er sich hat so betrügen lassen. - Mit dem Kind, von dem im ersten Absatz die Rede ist, ist eine Kousine vom Lande gemeint, die gegenwärtig bei seiner Mutter wohnt. - Besonders überzeugend wird aber das Plagiat durch einen Umstand bewiesen, auf den er allerdings erst nach längerer Überlegung gekommen ist: "Das Kind als Schöpfer" ist auf der ersten Seite der Unterhaltungsbeilage, auf der dritten aber ist eine kleine Geschichte von einer gewissen "Feldstein". Der Name ist offenbar Pseudonym. Nun muß man nicht diese ganze Geschichte lesen, es genügt ein Überfliegen der ersten Zeilen und man weiß sofort, daß hier die Lagerlöf in einer unverschämten Weise nachgeahmt ist. Die ganze Geschichte macht es noch deutlicher. Was bedeutet das? Das bedeutet daß diese Feldstein oder wie sie heißt, eine Kreatur der Durege ist, daß sie bei ihr die "Gutsgeschichte" gelesen hat, die er hingebracht hat, daß sie diese Lektüre zum Schreiben dieser Geschichte verwendet hat und daß ihn also beide Frauenzimmer eine auf der 1.) die andere auf der 3ten Seite der Unterhaltungsbeilage ausnützen. Natürlich kann jeder auch aus eigenem Antrieb die Lagerlöf lesen und nachahmen, aber hier ist doch sein Einfluß zu offenbar. (Er schlägt das eine Blatt öfters hin und her)

    Montag mittag gleich nach Bankschluß gieng er natürlich zur Frau D. Sie öffnet nur eine Spalte der Wohnungstüre, sie ist ganz ängstlich: "Aber, Herr Reichmann warum kommen Sie mittag. Mein 122
    Mann schläft. Ich kann Sie jetzt nicht hereinlassen." "Frau D. Sie müssen mich unbedingt hineinlassen. Es handelt sich um eine wichtige Angelegenheit." Sie sieht, ich mache Ernst und läßt mich ein. Der Mann war ja bestimmt nicht zuhause. In einem Nebenzimmer sehe ich auf dem Tisch mein Manuscript und mache mir gleich meine Gedanken. "Frau D. was haben Sie mit meinem Manuscript gemacht. Sie haben es ohne meine Zustimmung ins Tagblatt gegeben. Wieviel Honorar haben Sie bekommen?" Sie zittert, sie weiß nichts, hat keine Ahnung, wie es in die Zeitung hat kommen können. J'accuse Frau D. sage ich, halb scherzend aber doch so, daß sie meine wahre Stimmung merkt und dieses j'accuse Frau D. wiederhole ich die ganze Zeit, während ich dort bin, damit sie es sich merkt und sage es noch beim Abschied

Weitere Kostenlose Bücher