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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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mir die Wahrheit oder Wahrscheinlichkeit dessen, daß ich nur infolge meiner litterarischen Bestimmung sonst interesselos und infolge dessen herzlos bin.

    3 III 12. Den 28. II bei Moissi. Widernatürlicher Anblick. Er sitzt scheinbar ruhig, hat womöglich die gefalteten Hände zwischen den Knien, die Augen in dem frei vor ihm liegenden Buch und läßt seine Stimme über uns kommen mit dem Athem eines Laufenden. - Gute Akustik des Saales. Kein Wort verliert sich oder kommt auch nur im Hauch zurück, sondern alles vergrößert sich allmählich als wirke unmittelbar die längst anders beschäftigte Stimme noch nach, es verstärkt sich nach der ihm mitgegebenen Anlage und schließt uns ein. - Die Möglichkeiten der eigenen Stimme die man hier sieht. Sowie der Saal für Moissis Stimme, arbeitet seine Stimme für unsere. Unverschämte Kunstgriffe und Überraschungen, bei denen man auf den Boden schauen muß und die man selbst niemals machen würde: Singen einzelner Verse gleich im Beginn z. B. Schlaf Mirjam mein Kind, ein Herumirren der Stimme in der Melodie; rasches Ausstoßen des Mailiedes, scheinbar wird nur die Zungenspitze zwischen die Worte gesteckt; Teilung des Wortes November-Wind, um den
    "Wind" hinunterstoßen und aufwärts pfeifen lassen zu können. - Schaut man zur Saaldecke, wird man von den Versen hochgezogen. - Goethes Gedichte unerreichbar für den Recitator, deshalb kann man aber nicht gut einen Fehler bei diesem Recitieren aussetzen, weil jedes zum Ziele hinarbeitet. - Große Wirkung als er dann bei der Zugabe "Regenlied" von Shakespeare, aufrecht stand, frei vom Text war, das Taschentuch in den Händen spannte und zusammendrückte und mit 124
    den Augen glänzte. - Runde Wangen und doch kantiges Gesicht. Weiches Haar mit weichen Handbewegungen immer wieder gestrichen. - Die begeisterten Kritiken, die man über ihn gelesen hat, nützen ihm in unserer Meinung nur bis zum ersten Anhören, dann verwickelt er sich in sie und kann keinen reinen Eindruck hervorbringen. - Diese Art des sitzenden Recitierens mit dem Buch vor sich erinnert ein wenig an das Bauchreden. Der Künstler scheinbar unbeteiligt, sitzt so wie wir, kaum daß wir in seinem gesenkten Gesicht die Mundbewegungen hie und da sehn und läßt statt seiner über seinem Kopfe die Verse reden. - Trotzdem soviele Melodien zu hören waren, die Stimme gelenkt schien wie ein leichtes Boot im Wasser, war die Melodie der Verse eigentlich nicht zu hören. - Manche Worte wurden von der Stimme aufgelöst, sie waren so zart angefaßt worden, daß sie aufsprangen und nichts mehr mit der menschlichen Stimme zu tun hatten, bis dann die Stimme notgedrungen irgend einen scharfen Konsonanten nannte, das Wort zur Erde brachte und schloß.

    Nachher Spaziergang mit Ottla, Frl. Taussig, Ehepaar Baum und Pick, Elisabethbrücke, Quai, Kleinseite, Radetzkykaffee, Steinerne Brücke, Karlsgasse. Ich hatte gerade noch die Aussicht in die gute Laune, sodaß an mir nicht gerade viel auszusetzen war.

    5. III 12 Diese empörenden Ärzte! Geschäftlich entschlossen und in der Heilung so unwissend, daß sie, wenn jene geschäftliche Entschlossenheit sie verließe, wie Schuljungen vor den Krankenbetten stünden. Hätte ich doch die Kraft, einen Naturheilverein zu gründen. Durch Herumkratzen im Ohr meiner Schwester macht Dr. Kral eine Trommelfellentzündung zu einer Mittelohrentzündung; das Dienstmädchen fällt beim Einheizen hin, der Doktor erklärt es mit jener Schnelligkeit der Diagnose, die er gegenüber Dienstmädchen hat, für verdorbenen Magen und Blutandrang infolgedessen, am nächsten Tag legt sie sich wieder nieder, hat hohes Fieber, der Doktor dreht sie rechts und links, konstatiert Angina und läuft rasch weg, um nicht vom nächsten Augenblick widerlegt zu werden. Wagt sogar von "niederträchtig starken Reaktionen dieses Mädchens" zu reden, woran das wahr ist, daß er an Menschen gewöhnt ist, deren körperlicher Zustand seiner Heilkunst würdig und durch sie hervorgebracht ist und daß er sich durch die starke Natur dieses Mädchens vom Lande mehr, als er weiß, beleidigt fühlt.

    Gestern bei Baum. Vorgelesen "Der Dämon". Unfreundlicher Eindruck im Ganzen. Gute präcise Laune im Hinaufgehn zu Baum, sofortiges Nachlassen oben, Verlegenheit gegenüber dem Kinde.

    Sonntag: Im Kontinental bei den Kartenspielern. "Journalisten" mit Krämer vorher 1 1/2 Akte.
    Viele gezwungene Lustigkeit in Bolz ist sichtbar, aus der sich allerdings auch ein wenig wirkliche zarte

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