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Tagebücher

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Titel: Tagebücher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franz Kafka
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hübschen Kind ein dickes steif angezogenes kleines Mädchen zu werden. Dieses blinde oder schwachsichtige Kind hatte beide Augen von einer Brille bedeckt, das linke unter dem ziemlich weit entfernten Augenglas war milchgrau und rund vortretend, das andere trat zurück und war von einem anliegenden Augenglas verdeckt. Damit dieses Augenglas optisch richtig eingesetzt sei, war es nötig statt des gewöhnlichen über das Ohr zurückgehenden Halters, einen Hebel anzuwenden, dessen Kopf nicht anders befestigt werden konnte als am Wangenknochen, so daß von diesem Augenglas ein Stäbchen zur Wange hinuntergieng, dort im durchlöcherten Fleisch verschwand und am Knochen endete, während ein neues Dratstäbchen heraustrat und über das Ohr zurückgieng. -
    Ich glaube, diese Schlaflosigkeit kommt nur daher, daß ich schreibe. Denn so wenig und so schlecht ich schreibe, ich werde doch durch diese kleinen Erschütterungen empfindlich, spüre besonders gegen Abend und noch mehr am Morgen, das Wehen, die nahe Möglichkeit großer mich aufreißender Zustände, die mich zu allem fähig machen könnten und bekomme dann in dem allgemeinen Lärm der in mir ist und dem zu befehlen ich nicht Zeit habe, keine Ruhe. Schließlich ist dieser Lärm nur eine bedrückte, zurückgehaltene Harmonie, die freigelassen mich ganz erfüllen, ja sogar noch in die Weite spannen und dann noch erfüllen würde. Jetzt aber verursacht mir dieser Zustand neben schwachen Hoffnungen nur Schaden, da mein Wesen nicht genug Fassungskraft hat, die gegenwärtige Mischung zu ertragen, bei Tag hilft mir die sichtbare Welt, in der Nacht zerschneidet es mich ungehindert. Immer denke ich dabei an Paris, in dem zur Zeit der Belagerung und später bis zur Commune die dem Pariser bis dahin fremde Bevölkerung der nördlichen und östlichen Vorstädte in der Zeit von Monaten förmlich von Stunde zu Stunde durch die verbindenden Gassen stockend wie Uhrzeiger in das Innere von Paris rückte.

    Mein Trost ist - und mit ihm lege ich mich jetzt nieder - daß ich solange nicht geschrieben habe, daß sich daher dieses Schreiben in meine gegenwärtigen Verhältnisse noch nicht einordnen konnte, daß dies jedoch bei einiger Männlichkeit wenigstens provisorisch gelingen muß.

    Ich war heute so schwach daß ich sogar meinem Chef die Geschichte von dem Kind erzählte. - Jetzt erinnerte ich mich, daß die Brille im Traum von meiner Mutter stammt, die am Abend neben mir sitzt und unter ihrem Zwicker während des Kartenspiels nicht sehr angenehm zu mir herüberschaut.
    Ihr Zwicker hat sogar, was ich früher bemerkt zu haben mich nicht erinnere das rechte Glas näher dem Auge als das linke.

    3 Oktober (1911) Die gleiche Nacht, nur noch schwerer eingeschlafen. Beim Einschlafen ein vertikal gehender Schmerz im Kopf über der Nasenwurzel, wie von einer zu scharf gepreßten Stirnfalte. Um möglichst schwer zu sein, was ich für das Einschlafen für gut halte, hatte ich die Arme gekreuzt und die Hände auf die Schultern gelegt, so daß ich dalag wie ein bepackter Soldat.
    Wieder war es die Kraft meiner Träume die schon ins Wachsein vor dem Einschlafen strahlen, die mich nicht schlafen ließ. Das Bewußtsein meiner dichterischen Fähigkeiten ist am Abend und am Morgen unüberblickbar. Ich fühle mich gelockert bis auf den Boden meines Wesens und kann aus mir heben was ich nur will. Dieses Hervorlocken solcher Kräfte, die man dann nicht arbeiten läßt, 15
    erinnern mich an mein Verhältnis zur B. Auch hier sind Ergießungen, die nicht entlassen werden, sondern im Rückstoß sich selbst vernichten müssen, nur daß es sich hier - das ist der Unterschied -
    um geheimnisvollere Kräfte und um mein Letztes handelt.

    Auf dem Josefsplatz fuhr ein großes Reiseautomobil mit einer fest an einander sitzenden Familie an mir vorüber. Hinter dem Automobil gieng mir mit dem Benzingeruch ein Luftzug von Paris über das Gesicht.

    Beim Diktieren einer größern Anzeige an eine Bezirkshauptmannschaft im Bureau. Im Schluß, der sich aufschwingen sollte, blieb ich stecken und konnte nichts als das Maschinenfräulein Kaiser ansehn, die nach ihrer Gewohnheit besonders lebhaft wurde, ihren Sessel rückte hustete, auf dem Tisch herumtipte und so das ganze Zimmer auf mein Unglück aufmerksam machte. Der gesuchte Einfall bekommt jetzt auch den Wert, daß er sie ruhig machen wird, und läßt sich je wertvoller er wird desto schwerer finden. Endlich habe ich das Wort "brandmarken" und den dazu gehörigen Satz,

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